Kinder brauchen einen Namen

Manche Eltern stellen bei der Namenssuche für ihr Kind das Ego in den Vordergrund. Mitunter müssen Gerichte entscheiden. Doppelnamen ist als Geburtsnamen nicht möglich. Eltern müssen eine Wahl treffen, wessen Namen das Kind tragen soll

VON ANDREAS LOHSE

Viele Erwachsene haben offenbar wenig Ahnung – oder ihre eigenen Erfahrungen vergessen –, wie Kindernamen in Kita, Schule und Sportverein verballhornt werden und die Kleinen unglücklich machen. Schon aus ganz gewöhnlichen Familiennamen wie Meier, Ricker oder Lohse lässt sich manches ableiten und reimen, was unter die Gürtellinie geht.

Noch nicht bekannt ist, wie sich die Namensgebung auf ein Mädchen mit einem wirklich außergewöhnlichen Namen in Norddeutschland auswirkt: „Kommst du bitte mal her, Emelie-Extra?“ – „Iss mal den Teller leer, Emelie-Extra.“ – „Wo warst du in den Ferien, Emelie-Extra?“ Erst vor zwei Jahren hatte der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts entschieden, dass dieser Name als Vorname amtlich eingetragen werden kann (OLG-Beschluss vom 13. August 2003, Az. 2 W 110/03). Die zuständige Standesbeamtin und die Vorinstanzen hätten der Mutter die Eintragung des gewünschten Namenszusatzes „Extra“ zunächst verweigert, heißt es in einer Mitteilung des OVG, weil „dies kein Personenname sei und das Kind in der Gefahr stehe, lächerlich gemacht zu werden“. Die Mutter, eine Flugzeugpilotin, habe demgegenüber darauf verwiesen, dass der ihr als Bezeichnung für ein Flugzeug bekannte Name „Extra“ jedenfalls mit auf „Ex-“ anlautenden Namen aus anderen Kulturkreisen in Verbindung gebracht werden könne. Hierauf komme es jedoch nicht an, so die Schleswiger Richter. „Als Teil des verfassungsrechtlich geschützten Erziehungsrechts der Eltern beinhalte das Recht der Namensgebung auch das Recht der Namenserfindung“, so die Mitteilung von September 2003.

Eine Grenze sei erst erreicht, wenn „die so bezeichnete Person nicht mehr individualisiert werden könne oder eine erhebliche Gefahr der Herabwürdigung des Kindes bestehe“. Hiervon könne jedoch in der Kombination mit „Emelie“ auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Zusatz „Extra“ sowohl positiv als auch negativ verstanden werden könne. Mit ungewöhnlichen Vorhaben in Sachen Namensgebung haben die schleswigschen Richter bereits Erfahrung: Schon 1998 hatten die Richter den Vornamen „Prestige“ für einen Jungen zugelassen.

Einfacher wird es beim Familiennamen. Als Geburtsname gilt in der Regel und automatisch der Ehename der Eltern, sofern sie einen gemeinsamen Nachnamen führen (BGB, Paragraf 1616). Anderenfalls bekommt das Kind entweder den Namen des Vaters oder der Mutter – welchen von beiden, können die Eltern frei wählen und somit den Geburtsnamen bestimmen.

Allerdings müssen sich die Eltern tatsächlich entscheiden – Doppelnamen für das Neugeborene sind nicht zulässig. Das verkündete im Januar 2002 das Bundesverfassungsgericht: „Der Ausschluss von Doppelnamen für Kinder ist verfassungskonform“, so der Kern des Urteils vom 30. Januar 2002 (Az. 1 BvL 23/96). Zu entscheiden war die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar sei, dass „gemeinsam sorgeberechtigte Eltern, die keinen Ehenamen führen, zum Geburtsnamen ihres Kindes nur entweder den Namen des Vaters oder den der Mutter, nicht jedoch einen aus ihren beiden Namen zusammengesetzten Doppelnamen bestimmen können“, heißt es in den Ausführungen. Dies führe in der Folge zu Namensketten, die zu begrenzen wären. Die Zuständigkeit würde somit lediglich auf die nächste Generation übertragen.

Allerdings sei es verfassungswidrig, heißt es in einem anderem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2004, einen bereits geführten Ehenamen in einer neuen Ehe als gemeinsamen Ehenamen auszuschließen (18. Februar 2004, 1 BvR 193/97). Andersherum: Wer bereits einen Ehenamen hat, kann diesen auch in einer neuen Ehe als Ehenamen unterbringen, mehr noch, auch an die Kinder weitergeben.

Das Problem mit Kindern, die Namen brauchen, ist im Übrigen kein neues. Auch der gemeinhin unter seinem Nachnamen bekannte Philosoph Adorno hatte möglicherweise Probleme mit seinem zweiten Nachnamen, den er vom Vater geerbt und später als abgekürzten Vornamen verwendete: Theodor Ludwig W(iesengrund).