Tilman Rossmy
ist keine vierzehn mehr

Da wundert sich der Hipster: Die Regierung stellte am Mittwoch im Badehaus ihr neues Album vor

Rossmy bringt die Dinge mit seiner gereiften Mischung aus Abgeklärtheit, Melancholie und lebensklugem Humor lakonisch auf den Punkt

Von Heiko Werning

Jetzt ist er offenbar wieder auf den Geschmack gekommen. Fast 25 Jahre mussten wir mit den Regierungen vorliebnehmen, die diese Leute da draußen eben so wählen. Aber vor zwei Jahren hat Tilman Rossmy seine alte Band wieder aufleben lassen, und nach dem furiosen Comeback „Raus“ legt Die Regierung nun also bereits ihr zweites Alterswerk-Album vor. Schön minimalistisch wie immer, betitelt einfach mit „Was“ und becovert nur mit einem Vollmond. Es kann alles so einfach sein.

Am Montag erst beim Berliner Label Staatsakt erschienen, am Mittwoch bereits im Badehaus auf der Bühne zu hören. Das war vielleicht etwas zu fix für die Fans von früher, jedenfalls ist von den erwarteten ergrauten Damen und Herren praktisch niemand zu sehen, dafür tummeln sich erstaunlich viele Menschen im Publikum, die deutlich jünger sind als die Lieder aus dem Einstiegs-Set.

Einige englischsprachige Hips­ter schauen irritiert, als der ältere Herr ungelenk ans Mikro stakst und nuschelig, aber lausbübisch lächelnd von der eigenen Nervosität zu Beginn des Konzerts erzählt, vom Erschrecken über die Instagram-Fotos am nächsten Tag, denn man „ist ja keine vierzehn mehr“, und dann auf Deutsch zu singen beginnt. Echt jetzt? Crazy, diese Germans.

„Alles, was ich draufhatte, waren diese vier oder fünf Akkorde / die ich gelernt hatte auf der Volkshochschule“, singt Rossmy mit diesem unter deutschen Songwritern einzigartigen, nölend-sonoren, arhythmischen Sprechgesang, den man entweder hasst oder bei dem man sofort dahinschmilzt vor Sympathie. Mehr Akkorde braucht Rossmy bis heute nicht, im zitierten „Vielleicht in Hamburg“ sind es sogar nur vier.

Die Musiker treiben den Rhythmus in hohem Tempo voran, während Rossmy die Dinge mit seiner über Jahrzehnte gereiften Mischung aus Abgeklärtheit, Melancholie, lebensklugem Humor und Einsicht in Unabänderlichkeiten lakonisch auf den Punkt bringt: „Und die Leute haben gesagt / so ein schönes Paar / Ihr wart so ein schönes Paar / war so eine schöne Geschichte / war leider nicht wahr“, stellt er nüchtern in einem der neuen Songs fest.

In einem anderen seiner Lieder heißt es schlicht: „Für alles, was du verlierst / findest du was Besseres“, und wie er da so im Reinen mit sich und der Welt auf der Bühne steht, ist man fast geneigt, ihm das zu glauben. Erstaunt sieht man schließlich sogar die Hipster tanzen.

Am Ende dann fast ein kleines Wunder, eine Zeitschleife, als Rossmy nach den letzten, energetischen Band-Zugaben noch mal allein mit Pianist Ralf Schlüter auf die Bühne kommt und die beiden legendären Balladen „Loswerden“ und „Das Mädchen, das jeder will“ darbietet, die Songs, die die Leute sonst immer hören wollen und zu denen sie ergriffen von der Erinnerung an den eigenen Schmerz mitsingen.

Aber heute Abend ist kaum jemand da, der das Frühwerk kennt, vielleicht noch nicht einmal den Schmerz, fast niemand singt jedenfalls mit, als der schrabbelige Indie-Rocker plötzlich in entwaffnender Direktheit brummt: „Ich glaub, ich will dich lieber loswerden.“ Doch der Zauber funktioniert noch immer, auch bei der nächsten Generation. Verblüffte Stille im zuvor manchmal arg verschnabbelten Saal, dann Jubel.

Die großen Stars für den Mainstream werden Die Regierung sicherlich nicht mehr, „nein, damit kommst du nicht weit / nicht in deiner Heimatstadt / aber vielleicht in Hamburg.“ Oder in Berlin. Und das ist doch immer wieder schön.