Tristesse Royal

SPANIEN Die Königlichen von Real Madrid verlieren ihren Glanz und rutschen ins Mittelfeld der Tabelle ab. „Im Moment habe ich keine Mannschaft“, sagt ein merkwürdig verzagter José Mourinho, Coach von Real

AUS MADRID RALF ITZEL

Am Dienstag wird das strenge Publikum im Bernabeu-Stadion über Mannschaft und Trainer richten, der Abend mit Besuch aus Manchester könnte ungemütlich werden. In den zweieinhalb Wochen seit dem jüngsten Heimspiel hat sich eine Menge Frust aufgestaut bei den Real-Fans, nicht nur Cristiano Ronaldo muss Pfiffe fürchten. Der Portugiese verabschiedete sich neulich mit einer nebulösen Klage in die Länderspielpause („Ich bin traurig, und der Klub weiß, warum“). Viele vom Sparkurs der Regierung ausgemergelte Spanier ärgert, dass einer, der 10 Millionen Euro netto im Jahr einsackt, auch noch schmollt. Spötter nennen Cristiano Ronaldo nun Tristiano Ronaldo.

Die Tristesse hat seit Samstagnacht aber nicht nur die emblematische Figur, sondern den gesamten Madridismus im Griff. Nach dem 0:1 beim FC Sevilla dümpelt der Titelverteidiger nach vier Spielen mit vier Punkten im Niemandsland der Tabelle, Konkurrent FC Barcelona dagegen sonnt sich nach maximaler Ausbeute mit acht Zählern mehr an der Spitze. Und jetzt beginnt die schwere Champions-League-Gruppenphase, erst Englands Meister Man City zuhause, im Oktober dann die Reise zum deutschen Titelträger Borussia Dortmund. „Real Madrid im Alarmzustand“, titelt Spaniens Renomierzeitung El País.

In Andalusien geriet der Champion der Primera Dvisión gegen die vom früheren Real-Granden Michel gecoachten Sevillanos schon nach einer Minute in Rückstand – mal wieder nach einer Standardsituation. Die Ecke des früheren Schalkers Rakitic verwandelte der ehemalige HSV-Profi Piotr Trochowski per Halbvolley.

Mesut Özil machte da schon längst nicht mehr mit. Bereits in der ersten Halbzeit fragten die Kommentatoren im Radio, ob der Deutsche überhaupt auf dem Platz stehe. Nach der Pause tat er es dann tatsächlich nicht mehr, mit dem Argentinier di Maria musste er in der Kabine bleiben.

Özil war sichtlich müde nach den guten Auftritten für den DFB, was ihn in Spanien aber nicht vor Kritik schützt, zumal Vertreter Luca Modric den deutlich besseren Vortrag bot. Hitzige Gefechte wie das in Sevilla würden Özil schlicht überfordern, urteilt El País. Sein kräftiger Nationalmannschaftskollege Sami Khedira ist da besser gerüstet, allerdings nicht für die ungewohnte Position des rechten Verteidigers, die José Mourinho ihm am Ende zuteilte.

Der Trainer sagte hernach, die beiden zur Halbzeit Ausgetauschten seien auch nicht schlechter gewesen als der Rest: „Am liebsten hätte ich sieben ausgewechselt.“ Breitbeinig, mit fest verschränkten Armen und strengem Blick hatte der Portugiese die Schlussphase verfolgt, um dann eine Anklagerede ungewohnter Schärfe gegen sein Personal abzulassen: „Abgesehen von zwei, drei ist derzeit keiner konzentriert bei der Sache und hat den Fußball als Priorität im Leben“, schimpfte „Mou“. Er sei aber selbst schuld an der unprofessionellen Einstellung: „Als Trainer bin ich verantwortlich.“

Mehr als an der Gesinnung könnte es am fußballerischen Rüstzeug hapern, diesen Vorwurf muss sich Mourinho immer mehr gefallen lassen. Wenn die Stars vorne nicht treffen, fehlen die Lösungen, vor allem wenn der Gegner nach Führung kontern kann. „Madrid produziert im Mittelfeld zu wenig Fußball“, kritisiert der frühere Real-Generaldirektor Jorge Valdano.

So oder so, Mourinho schloss kurz nach Mitternacht im Bauch des Stadions Sanchez-Pizjuan mit einem vernichtenden Urteil: „Im Moment habe ich keine Mannschaft.“