Fake-News in Russland: Es drohen satte Geldbußen

Das russische Parlament verabschiedet ein Gesetz, das falsche Nachrichten ahndet. Das betreffe nicht die Informationsfreiheit, heißt es offiziell.

Angehörige von Opfern des Unglücks von Magnitogorsk bei einer Gedenkfeier am 4. Januar dieses Jahres

Angehörige von Opfern des Unglücks von Magnitogorsk bei einer Gedenkfeier am 4. Januar Foto: ap

MOSKAU taz | Der Auslöser soll eine Gasexplosion gewesen sein. Das behauptet zumindest der Initiator des Gesetzentwurfs, der sich wissentlich verbreiteter Falschnachrichten annimmt. Das Fake-News-Gesetz lag der Duma, dem Unterhaus des russischen Parlaments, zur dritten und letzten Lesung vor.

Autor ist Andrei Klischas. Er sitzt als Senator der Kremlpartei Einiges Russland im Föderationsrat des Parlaments. In der Neujahrsnacht waren bei einer Explosion in der Industriestadt Magnitogorsk im Ural 38 Menschen ums Leben gekommen. Offiziell wurde eine defekte Gasleitung als Unfallursache angegeben. In verschiedenen Internetmedien kursierten Gerüchte, ein Terrorakt habe die Katastrophe ausgelöst.

Auf die Verunsicherung der Bevölkerung in der einstigen Vorzeigestadt des Kommunismus reagierte Andrei Klischas mit einem Entwurf, der das bewusste Verbreiten von falschen Nachrichten mit höheren Strafen ahnden will. Das Gesetz richtet sich vor allem gegen Internetplattformen. Fallabhängig sollen Strafen von 30.000 Rubel (400 Euro) bis 1,5 Millionen Rubel (20.000 Euro) verhängt werden können.

Offiziell verfolgt das Gesetz den „Missbrauch“ von Massenmedien, die die Öffentlichkeit gezielt in die Irre führen. Mit einem Eingriff in die Informationsfreiheit habe das Gesetz nichts zu tun, beteuerten die Abgeordneten. Lediglich um die Wahrung öffentlicher Sicherheit gehe es. Meinungsfreiheit sei auch weiterhin erlaubt.

Repressiver Motor

Viele Beobachter sehen das skeptischer. Wie meist in Russland werden entscheidende Teile des Gesetzes offengelassen. Nicht geklärt ist, wer darüber zu befinden hat, was an einem Berichtsfall falsch oder richtig ist. Die juristische Beliebigkeit dient als repressiver Motor, der sich jederzeit anwerfen lässt.

Russische Behörden sollen laut dem neuen Gesetzes Onlinemedien sperren dürfen, wenn diese vermeintliche Falschmeldungen verbreiten. Aber wer soll darüber entscheiden? Der Staatsanwalt? In den sozialen Medien und im kremlkritischen Radiosender Echo Moskwy fragten Nutzer, wer denn gegen Falschnachrichten der staatlichen TV-Sender und des russischen Propagandaorgans RT, früher Russia Today, vorgehe.

Das Boulevardblatt Moskowskij Komsomolez verglich den Strafkatalog für „Hooliganismus“ an öffentlichen Plätzen mit den neuen Sätzen für Internetvergehen. „Rauditum“ an öffentlichen Plätzen wird beim ersten Mal mit 2.500 Rubel (umgerechnet 35 Euro) geahndet.

Wer jedoch im Netz randaliert, muss mit einer Einstiegsstrafe von 30.000 bis 100.000 Rubel (450 bis 1.450 Euro) rechnen. Die Furcht vor den virtuellen Störern im Netz ist größer als die Angst vor Demonstranten auf der Straße.

Schutz der Gesellschaft

Neben dem Fake-News-Gesetz brachte die Duma noch ein Gesetz auf den Weg, das Vertreter in Staatsämtern, staatliche Insignien, Symbole, aber auch „die Gesellschaft“ vor „offenkundiger Respektlosigkeit“ schützen soll. Die staatliche Zensurbehörde Roskomnadsor hat darüber zu wachen.

Über all diesen kleineren Initiativen schwebt noch das umfassende gesetzliche Regelwerk, das die Unabhängigkeit des Internets gegenüber ausländischen Einflüssen garantieren soll und einen Ausstieg aus dem weltweiten Netz nicht mehr ausschließt. Mit der Verabschiedung ist in den kommenden Wochen zu rechnen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.