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Täglicher Irrsinn auf Berlins Straßen

„Durchstarten im Nahverkehr“, taz vom 2. 3. 19

Ich kann den Aufruf von Frau Günther an die Berliner, das Auto in einer inzwischen hypermobilisierten Stadt öfter mal in der Garage zu lassen oder am besten ganz abzuschaffen, nur ganz dick unterstreichen.

Die größte Chance, den Straßenverkehr in Berlin annähernd bürgerfreundlich zu organisieren, ist bereits in den Jahren direkt nach dem Mauerfall vertan worden. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Senat städte- und straßenplanerisch noch die besten Möglichkeiten gehabt, den Verkehr in die richtigen Bahnen, Busse und auf gut ausgebaute Fahrradwege zu lenken. Dieser Zug ist nun leider schon lange abgefahren. Ich bin überzeugter Alltagsradler und beobachte aus dieser Sicht fast täglich den wachsenden Irrsinn, der sich auf unseren Straßen abspielt. Wirklich aber erschrecken tut mich, dass bei den meisten (auch körperlich völlig gesunden Menschen) das Auto auch an Sonn- und Feiertagen (meine Referenzstrecke ist die südliche B96 ab dem Tempelhofer Damm) immer mehr zum Mittel der Wahl wird, sich – bei allen bekannten Nachteilen, die diese Form der Mobilität in einer wachsenden Stadt mit sich bringt – fortzubewegen. Spreche ich mit einzelnen Personen, höre ich oft, dass Pkws als störend und im urbanen Raum als nicht mehr ganz zeitgemäß angesehen werden. Gefahren wird aber immer öfter und mehr mit auch noch immer größeren Wagen.

Deshalb lautet mein persönliches Fazit: Es muss ein politischer, überparteilicher Diskurs her, der das Beste für den Bürger verlangt. Auch wenn Veränderung anfangs schmerzlich sein kann, muss sich jeder Einzelne vor Augen halten, dass es mit dem Mut zu selbiger doch aktuell nur besser werden kann. Ulli Herzau, Berlin

Augenwischerei

„Aller guten Tarifverhandlungen sind drei“, taz vom 28. 2. 19

Das Ergebnis der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst kann überhaupt nicht als zufriedenstellend bezeichnet werden, denn die avisierte 8-prozentige Lohnsteigerung ist doch pure Augenwischerei! Tatsächlich beträgt der Lohnanstieg in den Jahren 2019 und 2020 nur jeweils 3,2 Prozent und dann noch einmal 1,4 Prozent im Jahre 2021.

Durch die ungewöhnlich lange Laufzeit von 33 Monaten hat sich Verdi ein weiteres Mal von den öffentlichen Arbeitgebern über den Tisch ziehen lassen. In Berlin kann man als Beamter nun außerdem am meisten darauf gespannt sein, mit welchen Tricks der Senat wieder versuchen wird, die Erhöhung der Beamtenbesoldung auf einen späteren Termin zu verschieben. Das kennt man ja schon aus den vergangenen Jahren, wo Wowereit, Müller & Co die Beamten immer wieder an der Nase herumgeführt haben! Thomas Henschke, Berlin

Trumps Bagger

Das Haus am Lietzensee

Ich bin in den 80ern am Westberliner Charlottenburger Lietzensee aufgewachsen. Im „linksgrün versifften“ Milieu der späteren Innenminister, Baustadträte und Staatsanwältinnen, die gerade in Rente gehen. Ich kriege feuchte Augen, wenn ich Klaus Weilands klassische Gitarre aus einer Zeit höre, als der NDR noch einen Pausenfilm hatte. Damals war die Welt noch in Ordnung: Die angehende Berliner Großbürgerschaft konnte nach dem Jura- oder Ingenieursstudium problemlos kollektiv ein 1920er stuckprangendes Stadthaus mit Innenhof und Hang zum See kaufen, renovieren und ausbauen, Preise für den grünsten Dachgarten einheimsen und später Mieten verlangen, die dem Nettolohn eines Postdocs von heute gleichkommen.

Ich war damals äußerst altklug und wurde von den Gast-/Arbeiterkindern aus Kreuzberg abgezockt, die genau wussten, dass meiner eins viel zu viel Schiss hatte, um sich zu wehren. Später gönnte ich es „ihnen“ mit postkolonialem Großmut.

All die Lebenslügen dieser Zeit stecken heute noch in diesem Haus – bis Donald J. Trump einen Bagger in den grünen, sommerwarmen Innenhof einfliegen ließ. Er begann, eines der Treppenhäuser gezielt an den Treppenabsätzen anzugreifen und so Stück für Stück dem Haus das Rückgrat zu brechen. All dies mit diesem Leichenblick aus verkniffenen Schweinchenaugen. Der Mann mit dem „Killerinstinkt“ tat es einfach, weil er es konnte und ihm meine nostalgischen Gefühle für diesen Ikea-Hundertwasser-Kindheitshort egal waren. Ich rannte noch das bereits offenstehende Treppenhaus hoch, um meinen Rucksack mit meinem Laptop zu retten. So ein neoliberaler Albtraum tut nicht mehr weh. Diese Welt hat mitgespielt. Felix Hoffmann, Berlin

Gegen die Miethaie

„Auf Kauftour im Schutzgebiet“, taz vom 7. 3. 19

Wenn Immobilienhaie wie die Deutsche Wohnen sich ausweiten und somit die Mietpreise negativ für die Mieter beeinflussen, dann sollten nicht nur im Berliner Senat, sondern auch auf Bundesebene die Alarmglocken läuten! Und wenn durch solche Miethaie und Spekulanten der soziale Wohnungsbau ins Hintertreffen gerät, dann sollte man beim kommunalen Wohnungsbau auch den Rückkauf von Immobilien im Auge behalten, um den Spekulanten den Nährboden zu entziehen! Aber wenn es um sozialen Wohnungsbau geht, dann ist auch der Bund mit in Verantwortung zu ziehen, denn hier geht es um Menschen und nicht um die Lobby der Miethaie! René Osselmann, Magdeburg