Jasmin Ramadan Einfach gesagt
: Greta und Barbie

Foto: Roberta Sant‘anna

Mama, wenn wir jetzt für eine bessere Welt demonstrieren, wieso wickeln wir unser Schild dann in Plastik ein?“

Ein Junge sitzt mit seiner Mutter und der kleinen Schwester am Freitag im 5er-Bus Richtung Innenstadt. Die Mutter umwickelt das Schild – auf dem eine traurig dreinblickende Weltkugel zu sehen ist – mit breiter Klebefolie. Die Weltkugel hat Beinchen, trägt Turnschuhe und sitzt auf einer Mauer. Darüber steht: Put Your Arms Around The World Today.

Die Mutter sagt entnervt: „Für diesen Zweck heute ist das o.k., außerdem regnet es und ich weiß auch nicht, wie ich das jetzt hier anders machen soll, Oskar.“

Der Rentner, der mit ihnen den Vierersitz teilt, nickt und lächelt: „Schön, euer Schild und ich find dieses engagierte Mädchen aus Skandinavien prima!“ „Wenn ich groß bin, will ich die heiraten,“ sagt der Junge. „Aber Mama, Oskar hat recht, man soll doch kein Plastik mehr benutzen, wenn das nicht sein muss, sagt die kleine Schwester.

Die Mutter sagt: „Aber wir werfen das hinterher ja nicht in die Alster.“ „Ach“, sagt der Herr, „da schwimmt doch kaum noch was drin, als ich jung war, da haben wir in der Alster gebadet.“ Das Mädchen guckt verdutzt: „Zwischen den Enten und Schwänen?“

„Ach, Kindchen, das erinnere ich gar nicht mehr, aber ich erinnere mich noch gut an meine erste Plastiktüte, die hab ich ganz lange benutzt, bis sie sich in Nichts aufgelöst hat. Es ist ja nicht nur schlecht, das Plastik. Es gäb ja sonst nicht mal Regenjacken und auch kein Zelluloid!“

„Und Barbies“, ruft das Mädchen.

Die Mutter schnaubt: „Du kriegst keine Barbie, Marlen, das hab ich dir heute schon dreimal gesagt. Greta Thunberg hat bestimmt nicht mit Barbies gespielt, sonst wär sie nicht da, wo sie heute steht.“

Ich hatte Unmengen von Barbies. Eine Plastikkiste voll sexistischem Plastikmüll mit großen leeren Augen. Meine Mutter nutzte meine Affinität für ihre Zwecke. Wenn Unangenehmes anstand, bekam ich hinterher immer eine neue Barbie. Doch jede Puppe verlor bald ihren Reiz. Das Plastik roch nicht mehr so gut wie nach dem Auspacken und die optische Perfektion ermüdete mich. Dann tunkte ich sie in Fanta oder Tritop Sirup oder malte ihnen mit Filzstiften Ringe um die Augen und Narben und andere abstraktere Muster auf ihren dünnen Leib, schnitt in ihren Haaren rum und beendete so ihre Karriere als mein Faszinosum der Perfektion.

Mädchen wurde früher nicht viel Gutes zum Spielen oder Orientieren angeboten. Deshalb ist Pippi Langstrumpf noch immer das nervig inflationäre Idol mehrerer Generationen von Frauen. Sie war eben die einzig coole autonom weibliche Figur, von der alle Welt etwas mitbekam. Mädchen in Geschichten waren sonst eher die Ängstlichen, Heuligen, Braven, Langweiligen, Anhänglichen. Eindimensional geprägt himmelten Mädchen dann als Teenager idiotische Typen auf dem Schulhof und in Boygroups an. Wenn ein Junge heute sagt, wenn er groß ist, wolle er Greta Thunberg heiraten, heißt das nicht unbedingt, dass die Welt nun besser wird, aber meine Laune wird es auf jeden Fall.

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie tatsächlich Erlebtes literarisch.