Präsidentschaftswahl in Algerien: Groteske Kandidatur

Bouteflika regiert seit rund 20 Jahren. Der Druck von der Straße hat ihn nun dazu gebracht, bei einer Wiederwahl die eigene Amtszeit abkürzen zu wollen.

Porträt einer Demonstrantin neben einer Flagge

Auch in der algerischen Diaspora in Paris wird gegen Bouteflika protestiert Foto: reuters

ALGIER taz | Trotz anhaltender massiver Proteste hält der Clan von Algeriens amtierendem Staatschef Abdelaziz Bouteflika an dessen Kandidatur für ein fünftes Mandat bei der für den 18. April geplanten Präsidentschaftswahl fest. Am Sonntagabend hatte der neu ernannte Leiter von Bouteflikas Wahlkampfteam, Abdelghani Zâalane, die notwendigen Dokumente bei dem für die Verifizierung der Kandidaturen zuständigen Verfassungsrat eingereicht und damit einen Sturm der Entrüstung im Land ausgelöst.

In einem Brief hatte sich der seit einem Schlaganfall 2013 im Rollstuhl sitzende Bouteflika gestern an die Bevölkerung gewandt und erklärt, er habe die DemonstrantInnen „gehört“. Der 82jährige versicherte, er werde im Falle seiner Wiederwahl im April innerhalb eines Jahres eine vorgezogene Neuwahl ansetzen und bei diesen nicht wieder antreten.

Der Chef der algerischen Wahlkommission HIISE, Abdelwahab Derbal, hatte noch am Abend eindringlich betont, dass PräsidentschaftsanwärterInnen ihre Dokumente persönlich beim Verfassungsrat einzureichen haben. Boueflika jedoch verweilt seit rund einer Woche für angebliche Routineuntersuchungen in einem Krankenhaus in Genf in der Schweiz und war auch bis Montag früh noch nicht zurückgekehrt.

Damit gerieten die administrativen Prozeduren für die Registrierung der KandidatInnen endgültig zur Posse. Der Spott auf der Straße und in sozialen Netzwerken kennt seither keine Grenzen mehr. „Ich wähle Bouteflika wenn er diesen Brief selber vorliest“, so ein Nutzer auf Twitter, der damit auf den Gesundheitszustand des greisen Präsidenten anspielt.

Friedlicher Protest

Zehntausende StudentInnen hatten sich derweil schon am Sonntag Mittag an zahlreichen Universitäten des Landes versammelt. Anschließend zogen sie lautstark protestierend durch die Straßen und verliehen damit ihren Forderungen nach einem Ende der Präsidentschaft Bouteflikas Nachdruck. Nachdem sich im Laufe des Tages abgezeichnet hatte, dass dessen Entourage offenbar keineswegs gedenkt, einfach so einzulenken, versuchten StudentInnen vor den Sitz des Verfassungsrates im Stadtteil Ben Aknoun in Algier zu ziehen. Großräumig um das Stadtviertel postierte Einsatzkräfte der Polizei drängten die aus allen Himmelsrichtungen herbeiströmenden DemonstrantInnen jedoch teils höflich, teils etwas ruppig zurück und setzten vereinzelt Pfefferspray ein.

Nachdem sich bis zum frühen Abend die Versammlungen der StudentInnen aufgelöst hatten und selbst die Polizei von den Hauptstraßen verschwunden war, kehrte jedoch nur kurzzeitig der Alltag wieder ein. Denn am späten Abend zogen landesweit abermals zehntausende Menschen auf die Straßen und forderten lauthals einen Rückzug Bouteflikas von dessen Kandidatur. In Skikda, Constantine, Guelma, Sétif, in mehreren Städten der Kabylei sowie in Algier formierten sich spontane Großproteste gegen ein fünftes Mandat. Bis spät in die Nacht kreisten Polizeihelikopter über dem Stadtzentrum von Algier. Befürchtungen, dass es in der Nacht zu Ausschreitungen kommen könnte, bestätigten sich nicht.

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