Kolumne Pressschlag: Das Scheitern der anderen

Wenn der Millionärs-Großklub verliert, lachen wir befreit: Das Champions-League-Aus von Paris und Madrid zeigt die Schönheit des Fußballs.

Im Vordergrund enttäuschte Real-Spieler, im Hintergrund jubelnde Ajax-Spieler

Freude und Enttäuschung liegen im Fußball stets dicht beisammen Foto: ap

Unbekannt sind Manchester United oder Ajax Amsterdam nicht. Sowohl in vergangenen Jahrzehnten als auch in der vergangenen Woche haben sie etwas geleistet. ManU, derzeit nur Vierter der Premier League, hat das Multimillionen-Ensemble von Paris Saint-Germain aus der Champions League gekickt. Und Ajax, dessen Großzeiten mit Johan Cruyff noch ein bisschen länger her sind, liegt in der Eredivisie fünf Punkte hinter PSV Eindhoven, und einen 4:1-Sieg bei Real Madrid hätte ihnen kaum jemand zugetraut.

Ex-Spitzenklubs schlagen aktuelle Spitzenklubs? So einfach ist es natürlich nicht. Und für die beliebte These, Geld schieße keine Tore, geben die Sensationsergebnisse der vergangenen Woche so viel Stoff auch nicht her. Geld schießt ja sehr wohl Tore, denn ohne gut bezahlte Profis wären auch Ajax und ManU nicht in der Champions League. Kein Grund zum Romantisieren also, auch in den Siebzigern gab es ja schon Profis.

Es gibt aber einen noch nicht so alten Trend im Business Fußball, nicht etwa in bestehende Vereine mit ihren alten Strukturen zu investieren, sondern sich die Klubs selbst zu backen beziehungsweise schwache Marken, die sich nicht wehren können, quasi zu übernehmen. PSG ist ein Beispiel dafür, Manchester City ist eines.

Noch krasser war das Projekt des berühmten Softdrinkherstellers, aus dem fünftklassigen SSV Markranstädt einen Spitzenklub namens RasenBallsport zu kneten.

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So gesehen repräsentieren Klubs wie Ajax oder ManU bloß das kleinere Übel, sind Boten aus einer Zeit, als der Fußball noch nicht ganz so kapitalisiert war. „Kleineres Übel“ ist nun ein Begriff, den Ajax- oder ManU-Fans nicht gerne hören. Außerdem hieße das ja, dass RB Leipzig in 20 oder 30 Jahren auch zum sympathischen Traditionsklub avancieren könnte, weil dann ganz andere Unsympathen am Start sein werden.

Wie das geht, vom verhassten Werksklub zum zumindest partiellen Sympathieträger aufzusteigen, haben Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg ja schon mal vorgeführt.

Die Woche, die PSG und Real scheitern ließ, lehrt also nicht unbedingt, dass Ajax und ManU toll sind (wer das findet, soll es ruhig finden – wir sind ja tolerant), sondern vor allem, dass zum Fußball und zum Fandasein auch die Freude am Scheitern der anderen gehört. Das befreite Lachen, wenn der millionenschwere Großklub verliert, das gehört vielmehr zur Schönheit des Fußballs als die verklärte Erinnerung an Zeiten, als Ajax und ManU noch den Weltfußball dominierten.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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