Das war
: Umstrittenes Urteil gefallen

Im Prozess gegen den wegen versuchten Totschlags angeklagten Ramadan A. ist am Mittwoch ein Urteil gefallen. Das Landgericht Lüneburg sprach den 38-Jährigen frei und ordnete zugleich die Verwahrung in einer psychiatrischen Klinik an. A. soll am 29. Juli 2018 mehrere Menschen mit einem Ziegelstein verletzt haben. Die örtliche Antifa hatte auf den Fall aufmerksam gemacht, denn die rassistischen Beleidigungen, die zu der Prügelei geführt hatten, blieben in der Anklage unerwähnt.

In den frühen Morgenstunden des besagten Tages waren eine Gruppe aus dem Sudan, darunter A., und drei Deutsche aneinandergeraten. Eine Beteiligte soll die Sudanesen schon vorher als „Scheiß Neger“ beleidigt haben. Wer dann zuerst zuschlug, ist auch nach dem Prozess nicht klar – das Gericht betonte aber, die Deutschen hätten sich zuvor untereinander gestritten und sich abreagieren wollen.

In dem Prozess ergab sich, dass A. mehrmals versuchte, die Schlägerei aufzulösen. Erst als er sah, wie einer seiner Freunde brutal verprügelt wurde, und er glaubte, ihn sterben zu sehen, warf er einen Ziegelstein auf einen der Deutschen. Der erlitt Schädelbrüche und Gesichtsverletzungen.

Der Anblick seines vermeintlich sterbenden Freundes habe in dem durch Folter traumatisierten A. einen Affekt ausgelöst, so formulierte es der Sachverständige im Verfahren. Das Gericht befand ihn deshalb für vermindert schuldfähig. Man müsse aber davon ausgehen, dass A. in einer ähnlichen Situation wieder so handeln könnte, heißt es im Urteil.

„Mein Mandant ist sein ganzes Leben lang vor Gewalt geflüchtet, und hat auch in seinen fünf Jahren in Deutschland keine Straftat begangen“, sagt einer seiner Verteidigerinnen, Fenna Busmann. Mit dem Urteil ist sie nicht einverstanden – dem Gutachten nach sei nicht zu erwarten, dass A. in einer ähnlichen Situation erneut so handeln würde wie an jenem Sonntag. „Der Sachverständige bestätigt, dass eine ambulante Therapie sinnvoller wäre“, erklärt sie. Ob sie Revision einlegen, prüfen die Verteidigerinnen noch: Denn solange das Verfahren läuft, könnte A. keine Therapie beginnen.

Die Lüneburger Antifa nannte das Urteil „skandalös“. Die Gruppe hatte bereits im Dezember „Solidarität mit Ramadan“ gefordert. Sie kritisierte außerdem, dass der Nebenkläger, trotz vorliegenden Haftbefehls, das Krankenhaus verlassen konnte. Der ist, abgesehen von der Anklageverlesung, zu keinem Termin erschienen – auch nicht als er als Zeuge geladen war. Gegen die beiden deutschen Männer laufen weiterhin Verfahren wegen der Schlägerei.

Carlotta Hartmann