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: Hunderte Kinder im Irak als Terroristen verurteilt

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisiert die Festnahme von Minderjährigen. Viele sollen unter Folter ihre Verbindung zum IS gestanden haben. Verantwortlich sind der Irak und die kurdische Nationalregierung

Das Neue

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisiert die Inhaftierung Hunderter Kinder und Jugendlicher. Laut dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht sitzen die wegen ihrer Zugehörigkeit zum sogenannten Islamischen Staat verurteilten Minderjährigen in irakischen Gefängnissen und Haftanstalten der kurdischen Regionalregierung. Der 59 Seiten starke Bericht mit dem Titel: „Jeder muss ein Geständnis ablegen“, enthält Aussagen von Betroffenen, die erklärten, wiederholt gefoltert worden zu sein. Ein 17-Jähriger berichtete etwa über tägliche Schläge. Bei 185 der Verurteilten handelte es sich um ausländische Kinder, etwa aus Frankreich, Russland und Marokko. Im Irak würden Kinder mit Verbindung zum IS wie Kriminelle behandelt, heißt es in dem Bericht. Für eine Verurteilung reiche allein die Mitgliedschaft bei der Terrormiliz aus, ohne Berücksichtigung, welcher Tatbestand vorliegt und „ob überhaupt ein Verbrechen begangen wurde“. Laut Bericht saßen im Januar 1.500 Kinder wegen IS-Zugehörigkeit in Haft.

Der Kontext

Im Irak endeten die Kämpfe gegen die Terrormiliz bereits vor zwei Jahren. Die letzte Bastion des IS in Syrien bleibt umkämpft. Seit Wochen leisten noch einige Hundert Dschihadisten erbitterten Widerstand in dem Dorf Baghus im Norden Syriens. Berichten zufolge missbrauchen die Kämpfer Menschen als Schutzschilde. Auch Deutschland ist am Kampf gegen die Terroristen beteiligt. US-Präsident Donald Trump hatte zunächst den Rückzug der noch rund 2.000 US-Soldaten aus Syrien angekündigt, ruderte nach internationalen Protesten jedoch wieder zurück. In Deutschland wird aktuell darüber gestritten, wie mit den deutschen Dschihadisten umzugehen ist, und ob ihnen die Rückkehr in ihre Heimat ermöglicht werden soll.

Die Reaktionen

Die Kinderrechtsexpertin von Human Rights Watch, Jo Becker, forderte anstelle einer Bestrafung der Kinder Schritte zu ihrer Rehabilitierung. Kinder, die zum Kampf rekrutiert werden, „sind Opfer, denen Hilfe zusteht“. Becker gab gegenüber der Nachrichtenagentur AP zu bedenken, dass viele der verurteilten Kinder ihr Leben lang traumatisiert blieben. Die Menschenrechtsaktivisten kritisieren zudem die Kürze der Gerichtsverfahren, die oft nicht länger als fünf bis zehn Minuten in Anspruch nähmen.

Die Konsequenz

Human Rights Watch fordert die Entlassung der Kinder und ihre Rehabilitation. Der Irak wie auch die kurdische Regionalregierung sollten die Gesetze zur Terrorismusbekämpfung dahingehend ändern, sodass Minderjährige nicht länger aufgrund einer Mitgliedschaft in Terrororganisationen kriminalisiert werden. Die Unicef und andere Kinderschutzorganisationen sollten für die Kinder Rehabilitations- und Reintegrationsprogramme entwickeln. Kinder, die an gewalttätigen Übergriffen des IS beteiligt waren, sollten den internationalen Richtlinien für den Umgang mit minderjährigen Straffälligen entsprechend behandelt werden.

Susanne Knaul