Trennungsphase Trainingsphase

Mark Wasche performt solo in der Schaubühne, mit viel Metaware und Putzschwämmchen

Von Katrin Bettina Müller

Der schwitzt schon, bevor es losgeht. Ist schon außer Atem, als er das erste Mal ans Mikro tritt. Um seine erste Botschaft, dass alles aus dem Körper kommt, gleich physisch sehr präsent zu unterstreichen. Den Boden der leeren Bühne hat Mark Waschke gewischt, auf dem er dann 90 Minuten lang, von einem Musiker begleitet, über sich und das Schauspielern laut nachdenkt, so persönlich im Duktus, dass man nichts für Fiktion hält.

Mark Waschke ist sehr präsent. In Kinofilmen, im TV als Tatort-Kommissar Robert Karow, in der Sky-Serie „Acht Tage“, auf der Schaubühne. Ich habe einmal hinter ihm im Bus gesessen, im M48, er hatte Einkäufe und seine Tochter dabei. Nichts passierte. Und doch gibt es eine Erinnerung daran, als wäre dies ein aufregender Moment gewesen, der den Tag markiert. Als würde irgendein Fünkchen überspringen, nur weil ich den Rücken eines Mannes sah, den ich sonst auf der Theaterbühne ackern sehe. Es stimmt schon, selbst die Beziehung zwischen Zuschauer unten und Schauspieler oben auf der Bühne hinterlässt Spuren im Körpergedächtnis, die selbst bei so einer Zufallsbegegnung irgendetwas triggert.

Er erzählt von seinem Vater, mit dem er telefonieren wollte, aber sich dann das Gespräch lieber nur vorstellt. Er erzählt von seiner Tochter, die, weil er es anders machen wollte als selbst erlebt, schon mit fünf Jahren genervt auf den väterlichen Satz, „ich hab dich lieb“ reagierte. Er sei gerade in einer Trainingsphase, nein Trennungsphase, die Worte verrutschen, auch nicht verkehrt, schließlich ist jede Trennung Training für die nächste Beziehung.

Das Publikum mag ihn, das steht von Anfang an fest. Warum sonst käme man zu einer Lecture-Performance mit dem langen Titel „Ich ist ein anderer dieses wir bin nicht eine Pfeife (Metaware)“, ein Puzzle aus vielen Zitaten, die dann weiter keine Rolle spielen. Und wenn er auch anknüpft an seine Lust am Metadiskurs, mit der er angeblich andere KollegInnen, wie er behauptet, auf den Proben nervt – das glaubt man jetzt angesichts der vielen Spielweisen der SchauspielerInnen der Schaubühne nicht ganz, möglicherweise ist es am Filmset anders –, so bleibt das Reflektieren der Transformation in einer Rolle und was dies mit seiner Person tut, doch seltsam blass. Da erspürt man oft mehr davon in seinen Rollen.

Was aber den Abend prägt, ist die Lust am Ackern. Am Körper eben, der mit hoher Betriebstemperatur laufen will, bis die Muskeln, das T-Shirt ist irgendwann weg, feucht glänzen. Er erzählt von seiner Jugend bei der SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend) im Saarland und wie er später ein Ernst-Busch-Lied im falschen Moment singt. Als ob ein proletarischer Gestus, ein Arbeiterethos vom Zupacken seine Muskeln und Nerven geprägt habe. Das muss sich immer wieder durchboxen gegen das eventuell schlechte Gewissen jetzt doch in einer privilegierten Stellung zu sein, als Künstler, als gutbezahlter. Auch davon redet er und macht sich lustig, wie er mit dem Helikopter von Set zu Set fliegt.

Der Abend macht gute Laune, aber er fordert nicht sehr heraus. Intimität, Sexualität, Drogen, Politik, vieles wird gestreift, die Grenze zum Unbotmäßigen mit zwei Sätzen überschritten, manchmal spürt man etwas von der Risikobereitschaft, sich auch dem Unvorbereiteten auszusetzen, aber dann erfolgt der Sprung ins Ungewisse doch nicht. Zumindest nicht in der 1. Fassung dieser Lecture Performance.