Debatte Deutsche Islamkonferenz: Streiten statt Blutwurst

Die Teilnahme an der Deutschen Islamkonferenz ist kein demokratisches Gütesiegel. Viele Verbände verfolgen problematische Linien. Nur Reden hilft.

Die Kuppel einer Moschee in Bremen

Besser, alle streiten unter einem Dach statt gar nicht miteinander zu reden Foto: Winfried Rothermel

Ditib sollte so lange von der Deutschen Islamkonferenz suspendiert werden, bis der Verband sich satzungsrechtlich und personell unabhängig gemacht hat von der Türkei“, sagt der CDU-Abgeordnete Christoph de Vries.

Sein Vorschlag ist falsch, aber mit seiner Einschätzung der Ditib hat er mehr als recht: Dort läuft nichts ohne das Placet aus Ankara. Die Imame haben einen Vertrag mit der Religionsbehörde, nicht mit deutschen Moscheevereinen. Die Dienstaufsicht über sie führen die Religionsattachés in den Konsulaten und der Botschaft der Türkei. Die Moscheegebäude, zumindest die werthaltigeren, gehören in der Regel der Auftragsverwaltung aus Ankara, der Ditib-Zentrale in Köln. Und spurt ein Ortsvorstand nicht hundertprozentig, lassen die Religionsattachés die Unbotmäßigen mit vorbereiteten Wahllisten einfach bei der nächsten Wahl ersetzen.

Nicht einmal zur Spionageaffäre hat die Ditib einen klaren Trennungsstrich gezogen: Im Gegenteil, neu-alter Vizepräsident der Ditib ist Ahmet Dilek. Unter seiner Verantwortung als Religionsattaché wurde dem Spionagebericht über Gülenisten aus Deutschland zugeliefert, mutmaßlich vier Seiten von sechzehn. Aber: die mutmaßlichen Tathandlungen seien in seiner dienstlichen Tätigkeit erfolgt, für die er auch nach Ende seiner Tätigkeit als Religionsattaché weiterhin Immunität genießt, so die Generalbundesanwaltschaft.

Aber sind die Verhältnisse bei den anderen Verbänden so grundsätzlich andere?

„Export der islamischen Revolution“ zum Ziel

Da ist der Zentralrat der Muslime, der eine gute Arbeit mit seinem Vorsitzenden Aiman Mazyek macht. Mazyek engagiert sich gegen Antisemitismus, gegen Islamismus, für eine Verständigung mit Juden, Christen und Atheisten. Und ich nehme ihm persönlich sein Engagement ab. Aber hinter der ansprechenden Fassade des Verbandes versammelt sich eine sehr disparate Mitgliedschaft: Aktuelle Mitgliederlisten hält der Verband unter Verschluss: Wer nicht Hofberichterstattung garantiert, wird mit Auskunftssperre belegt.

Dennoch weiß man: Die stärksten Mitgliedsverbände sind die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa (ATİB), ein Offspring aus der rechtsextremen Graue-Wölfe-Bewegung (Ülkücü), und die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG), die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „wichtigste und zentrale Organisation von Anhängern der „Muslimbruderschaft“ (MB) in Deutschland“ bezeichnet wird. Eine alte Mitgliederliste führt auch das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) als Mitglied. Der Hamburger Verfassungsschutz beobachtete das IZH viele Jahre und stellte fest, dass es den „Export der islamischen Revolution“ zum Ziel habe.

Die Muslime in Deutschland ernst zu nehmen heißt auch, unangenehmem Streit nicht aus dem Weg zu gehen

Da ist der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland. Über dessen maßgebliches Mitglied die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) sagt der Verfassungsschutz: „Obgleich alle Vereinigungen selbstständig und unabhängig voneinander agieren, ist die ‚Millî Görüş‘-Ideologie – wenn auch in unterschiedlich starker Ausprägung – das verbindende Element. „Gerecht“ seien für Mehmet Sabri Erbakan, langjähriger Generalsekretär von Millî Görüş, die Ordnungen, die auf „göttlicher Offenbarung“ gegründet, „nichtig“ jene, die von Menschen entworfen wurden.“ Der „schwächer werdende[r Extremismusbezug der IGMG“ korrespondiert aber mit einer zunehmenden Annäherung an und Steuerung durch die Türkei und die AKP. Unproblematischer ist das nicht. Es ist nur Ausdruck des gewachsenen Einflusses von Millî Görüş in der türkischen Politik.

Vielleicht noch problematischer ist da die IGS, die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands. Sie wurde gegründet auf Initiative des bereits erwähnten IZH, das wiederum eng mit der Regierung der Islamischen Republik Iran verbunden ist: IZH-Vorsitzender bis 2018 war Reza Ramezaniist, Stellvertreter des Revolutionsführers Ali Chamenei. Er vertritt auch die iranische Staatsdoktrin, die laut dem Verfassungsschutz „mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist. Sein Nachfolger, Hojatoleslam Mohammad Hadi Mofateh, soll im Dienst der iranischen Revolutionsgarden gestanden haben.

Seehofers Ansatz ist richtig

Wenn man sie alle ausschließt, sitzt man mit Blutwurst und veganem Finderfood beim Selbstgespräch alleine da. Ein Ausschluss aus der Deutschen Islamkonferenz ist keine Lösung. Was es braucht, sind Mut zur Auseinandersetzung, zum Streit.

Die Verbände organisieren ohnehin nur eine Minderheit der deutschen Muslime. Und viele Engagierte in den Moscheevereinen haben mit den problematischen Linien ihrer Oberen nichts oder wenig am Hut, andere wissen genau, warum sie in einer Moschee beten, in deren Trägerverein sie nie Mitglied werden würden. Aber diese Verbände organisieren nun einmal die übergroße Mehrheit der deutschen Moscheevereine. Beide Tatsachen muss man beim Dialog mit dem organisierten Islam in Deutschland im Auge haben. Die Teilnahme an der Islamkonferenz ist kein demokratisches Gütesiegel. Das müssen auch manche Beamte im Familienministerium oder bei der Europäischen Kommission erst noch begreifen, die sie leichtfertig als Partner bei der Extremismusprävention fördern. Partner in einem streitigen Dialog sind sie aber allemal.

Ich plädiere für einen Dialog, in dem man sich nichts schenkt. Boykottdrohungen der Verbände, oder Ausschlussforderungen führen nicht weiter. Seehofers Ansatz, die Verbände und ihre Kritiker, traditionelle, säkulare wie liberale Muslime in eine Diskussion zu bringen, ist richtig. Es braucht nur mehr Mut zur Auseinandersetzung: Über die Politisierung von Religion muss bei der Deutschen Islamkonferenz gestritten werden. Die Muslime in Deutschland ernst zu nehmen, heißt auch, unangenehmem Streit nicht aus dem Weg zu gehen.

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ist Lehrbeauftragter am Centrum für religionswissenschaftliche Studien (Ceres) an der Ruhr-Universität Bochum.

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