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Benachteiligt per Gesetz

Nanna-Josephine Roloff will, dass der Staat die Mehrwertsteuer auf Binden und Tampons senkt. Ihre Petition hat mehr als 126.000 Unterstützer*innen, doch die SPD-Frau stößt auf viel Ignoranz – sogar in ihrer eigenen Partei

Das Ziel ist klar: Auf Tampons können die wenigsten menstruierenden Frauen verzichten – aber 19 Prozent Mehrwertsteuer machen sie teuer Foto: Josefin/Unsplash

Von Yasemin Fusco

Einhundert Euro – so viel gibt eine Frau im Schnitt jährlich für Menstruationsprodukte aus. Schmerztabletten oder andere Hilfsmittel, die Beschwerden lindern, nicht inbegriffen. Diese Zahl ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, die ein Hamburger Meinungsumfrage-Start-up in Kooperation mit Nanna-Josephine Roloff durchgeführt hat. Die 27-jährige Hamburgerin möchte, dass Frauen nicht mehr so viel Geld für Binden und Tampons ausgeben müssen. Denn nicht alle haben die notwendigen finanziellen Mittel dazu und einfach aufhören zu bluten können sie auch nicht.

Vor fast einem Jahr, anlässlich des internationalen Frauentags am achten März, startete Roloff deshalb gemeinsam mit einer Freundin die Online-Petition „Die Periode ist kein Luxus! – senken Sie die Tamponsteuer!“. Mehr als 126.000 Unterschriften sammelten die Frauen schon für ihre Forderung. „Langfristig möchte ich erreichen, dass Damenhygieneartikel steuerfrei sind“, sagt Roloff. Ihre Petition fordert aber erst mal, dass für Tampons und Binden der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent gilt. „Nach Artikel 3 des Grundgesetzes dürfen Männer und Frauen nicht unterschiedlich behandelt werden“, sagt Roloff. Doch das passiere gerade. „Frauen werden steuerrechtlich diskriminiert.“

Aktuell sind Frauenhygieneprodukte in Deutschland noch mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt. Der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent gilt für Grundnahrungsmittel und Produkte für den täglichen Bedarf. Darunter sind Grundnahrungsmittel wie Brot und Wasser – aber auch Lachskaviar und dekorative Bilder. Unverzichtbare Hygieneartikel für die weibliche Monatsblutung gehören nicht dazu.

Andere europäische Länder sind da deutlich weiter. In Frankreich, Spanien und Großbritannien wurde der Steuersatz für Frauenhygieneprodukte bereits auf fünf bis zehn Prozent gesenkt. In Kenia und Kanada sind die Produkte komplett steuerfrei.

Und das Gender Equality Committee des Europäischen Parlaments hat erst im vergangenen November dazu aufgerufen, Tampons und andere Frauenhygieneartikel von der Umsatzsteuer zu befreien, um in Europa flächendeckend für eine freie Versorgung mit den Produkten zu sorgen. Auch wenn die Entschließung nicht bindend ist, sei entscheidend, eine echte Steuergerechtigkeit für Frauen zu erreichen, so das Komitee.

„Leider haben die AdressatInnen unserer Petition noch nicht reagiert“, erzählt Roloff. Gemeint sind Bettina Stark-Watzinger (FDP) und Sabine Zimmermann (Linke), die Vorsitzenden des Finanz- beziehungsweise Familienausschusses im Bundestag, und das Familienministerium. In der aktuellen Ausgabe der Apotheken-Umschau sprachen sich beide Frauen immerhin für eine Korrektur der Steuersätze für Frauenhygieneartikel aus. Das Familienministerium verwies auf Anfrage der taz an das für die Steuer zuständige Finanzministerium.

An dessen Spitze sitzt ein Genosse Roloffs: Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Olaf Scholz. Roloff ist seit Jahren in der SPD aktiv und sieht ihre Partei in der Pflicht. „Ich möchte, dass meine Partei sich dieses Themas annimmt“, sagt die 27-Jährige. „Dafür bin ich doch in der SPD, um dort etwas zu verändern.“

Frauen und Männer finden den Steuersatz zu hoch

Doch Olaf Scholz wimmelte das Thema bisher ab. Anlässlich des einhundertjährigen Wahlrechts für Frauen sagte er erst kürzlich: „Ich bin Feminist.“ Als Roloff ihn im vergangenen Jahr auf dem SPD-Landesparteitag in Hamburg auf die ungerechte Besteuerung von Frauenhygieneartikeln ansprach, habe er ihr jedoch unfreundlich und forsch zu verstehen gegeben, dass sie nicht die Einzige sei, die dieses Thema „beackere“, erzählt Roloff. „Wenn Olaf Scholz wirklich Feminist wäre, hätte er mich nicht so rabiat abgeblockt“, sagt sie. Sie habe das als sehr unfreundlich empfunden.

Auf Anfrage der taz heißt es aus dem Finanzministerium, dass eine Luxussteuer auf Tampons nicht existiere. Der Regelsteuersatz von 19 Prozent gelte für alle Hygieneartikel und selbst bei einem ermäßigten Steuersatz sei nicht sichergestellt, dass die Weitergabe bei den Verbraucherinnen auch wirklich ankomme, so eine Ministeriumssprecherin.

Kritiker ihrer Petition würden auch behaupten, dass Tampons und Binden nicht notwendig, aber alternativlos seien, erzählt Roloff. Doch das sei frauenfeindliches Framing. Jede Frau, die menstruiert, sehe solche Hygieneartikel als notwendig an.

Die von Roloff mitinitiierte Umfrage hat auch ergeben, dass 94 Prozent der Frauen den Regelsteuersatz für Tampons und Binden als zu hoch empfinden. 84 Prozent der befragten Männer stimmten dem zu, nachdem sie über die Besteuerung informiert wurden. Roloff will sich deshalb weiter engagieren. Sie habe angeboten, in der SPD an einem Gesetzentwurf mitzuwirken, jedoch keine Rückmeldung erhalten, erzählt sie. Den Weg über den Petitionsausschuss des Bundestages will sie jedoch nicht gehen. „Der bewirkt gar nichts“, sagt sie. „Ich möchte mit den GenossInnen darüber streiten und mein Anliegen nicht in einem verstaubten Ausschuss liegen haben.“

Wie aktuell das Thema Perioden-Armut ist, hat auch die diesjährige Oscar-Verleihung gezeigt. Die Kurzdokumentation „Period. End of Sentence“ der Inderin Rayka Zehtabchi gewann den Oscar für die beste Kurzdokumentation. Der Film begleitet Inderinnen, die für Tampons und Binden in Fabriken arbeiten und gesellschaftlich ausgegrenzt werden, wenn sie menstruieren. In Indien gilt die Periode noch immer als Tabuthema.

„Es ist an der Zeit, das die Periode weltweit nicht mehr als etwas Schlechtes oder Ekliges angesehen wird“, sagt Roloff. In ihrer Umfrage stellte sich heraus, dass ihre erste Periode den meisten Frauen unangenehm war und die Situation sie überforderte. „Das müssen sie aber nicht mehr“, sagt Roloff. „Die Periode hat einen Oscar bekommen.“