„Salonfähige Kriegsrhetorik“

Der Sportjournalismus hat ein Problem mit Stereotypen, sagt Sportredakteur Christoph Stukenbrock

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Christoph Stukenbrock,

Jahrgang 1983, ist Redakteur beim Sport-Informations-Dienst und gibt an der Akademie für Publizistik in Hamburg Seminare über Sportberichterstattung.

Interview Alina Götz

taz: Herr Stukenbrock, warum leidet der Sportjournalismus so unter floskelhafter Sprache?

Christoph Stukenbrock: Der Journalismus hat ein Problem mit Stereotypen. Der Sportjournalismus ist in besonderem Maße anfällig dafür, weil wir es hauptsächlich mit weichen Nachrichten zu tun haben, also solchen, die sich mehr am Publikumsinteresse orientieren als an Relevanz und Ausmaß. Je weicher eine Nachricht, desto eher neigen wir dazu, Alltagssprache zu verwenden.

Was kann man dagegen tun?

Immer wieder innehalten und unsere Arbeit hinterfragen. Wir müssen den Blick dafür schärfen, was wir mit unserer Wortwahl anrichten können. Sicherlich ist es auch das enorme Tempo in der Sportberichterstattung, das in hektischen Phasen dazu verleitet, auf bestimmte sprachliche Baukästen zurückzugreifen. Ich empfehle daher: Ab und zu den Kopf hochnehmen – und das gilt für jedes Ressort.

Was heißt das konkret?

Überprüfe jede Metapher. Nichts ist schlimmer als ein schiefes Bild. Wir sollten passende Verben und Substantive nutzen und vor allem bei Synonymen aufpassen – lieber mal keines als das falsche. Informationen müssen wir kontextabhängig überprüfen: Bringen sie den Leser weiter? Und: Übertreiben wir? Es herrscht große Konkurrenz in Mixed Zones, zudem verknappen die Vereine ihre Medienarbeit. Trotzdem will jeder die exklusivste und investigativste Geschichte. Auch ich habe mich schon dabei erwischt, in einigen Situationen in ein Regal zu hoch gegriffen zu haben.

Wie beurteilen Sie die Metapher der „Samba-Achse“?

Solche Stereotypen bürgern sich ein, ich kann das aber nicht gutheißen. Ich denke, hier wollte niemand böswillig sein. So was entsteht in einer Gemengelage: Ach, wir haben drei Brasilianer, fassen wir das doch mal so zusammen! Der Mix aus Konkurrenzdruck, Zeitmangel und fehlender Reflexion ist ein systemimmanentes Problem, das macht es aber nicht besser.

Wie haben Sie die Entwicklung der Debatte über die Sprache im Sportjournalismus erlebt?

Der Sportjournalismus war schon immer gefährdet, sich eigenartigen Sprachmustern zu bedienen. Wir Sportreporter haben Kriegsrhetorik mindestens eine Generation lang salonfähig gemacht. „Wegbomben“ als Synonym für einen hohen Sieg – so was lese ich zum Glück heute kaum noch. Trotzdem ist die Debatte für meinen Geschmack ein bisschen eingeschlafen.

Wie politisch muss Sportjournalismus sein?

Im Alltag haben wir weniger mit Politik zu tun als andere Ressorts. Aber der Sportjournalismus geht über reine Unterhaltung hinaus, und da muss es immer wieder auch politisch werden. Gerade im Profisport ist es wichtig, abseits der Scheinwerfer hinzusehen. Denn wir haben auch eine überwachende Funktion und eine große Verantwortung. Wir sind es, die entscheiden, was ins Blatt oder in den Ticker kommt. Damit bestimmen wir die öffentliche Meinung zumindest teilweise mit.

Wie lässt sich dieser Verantwortung gerecht werden, wenn wir bedenken, wie groß die Nähe von Lokaljournalist*innen und Vereinen manchmal ist?

Selbst wenn Freundschaften bestehen, was bei Lokalreportern häufiger vorkommt, muss in der Berichterstattung eine kritische Distanz gewahrt werden. Fest steht aber auch, dass gerade der Lokaljournalist diese Nähe oftmals benötigt und mitunter von ihr lebt. Am Ende gilt es eben zu unterscheiden, was Job und was privat ist.