Hamburger Umgang mit IS-Kämpfern: Der besondere Fokus

Der Anwalt Erdem fordert, IS-Anhänger aus Nordsyrien zurückzuholen. Der Verfassungsschutz sieht Rückkehrer als Sicherheitsrisiko.

Soldaten einer irakischen Spezialeinheit verhaften einen IS-Kämpfer.

Soldaten verhaften einen IS-Kämpfer – hier nicht in Syrien, sondern im Irak 2017 Foto: Khalid Mohammed/AP/dpa

HAMBURG taz | Wie sollte Hamburg umgehen mit IS-Kämpfern, ihren Frauen und Kindern? Bundespolitisch wird derzeit über die Rücknahme von Gefangenen aus Nordsyrien diskutiert. Mit genauen Angaben zu IS-KämpferInnen in Nordsyrien und im Irak ist die Bundesregierung zurückhaltend und verweist auch im Bundestag auf die Geheimhaltung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse. Klar aber ist: Die Re-Integration, Inhaftierung, Betreuung oder Beobachtung von dschihadistischen RückkehrerInnen obliegt den lokalen Beratungsstellen und Sicherheitskräften.

Vom Hamburger Verfassungsschutz heißt es dazu auf Anfrage der taz, IS-Rückkehrer stünden im besonderen Fokus der Sicherheitsbehörden, da sie zumeist wieder in die Szene eintauchen würden. Derzeit lägen Erkenntnisse über 69 Männer und 17 Frauen aus Hamburg vor, die Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind oder es versucht haben. Nicht mit jeder Reise sei aber zwangsläufig das Ziel verbunden, an Kampfhandlungen teilnehmen zu wollen. Insgesamt seien 29 Männer und drei Frauen zurückgekehrt. Kinder seien weniger als fünf zurückgekehrt. Dem Landesamt für Verfassungsschutz lägen Hinweise vor, dass etwa 20 Personen zu Tode gekommen sein sollen.

Der Hamburger Anwalt Mahmut Erdem indes hat im Auftrag mehrerer Familien seine Forderung an die Bundesregierung erneuert, in Syrien gefangene IS-Anhänger nach Deutschland zurückzubringen. Erdem vertritt unter anderem die Familien zweier Frauen, die sich seinen Angaben zufolge seit Monaten bemühen, ihre Angehörigen aus einem Camp der kurdischen Miliz YPG („Volksverteidigungseinheiten“) herauszuholen. Die Bundesregierung solle dazu mit der Miliz zusammenzuarbeiten. Das sei eine „humanitäre Verpflichtung“.

Bundesweit an Fahrt aufgenommen hat die Diskussion, nachdem US-Präsident Donald Trump unter anderem Deutschland dazu aufgefordert hatte, IS-Kämpfer zurückzunehmen. Derzeit befinden sich mindestens 800 IS-Kämpfer in Syrien in Haft. Darunter ist auch eine größere zweistellige Zahl von Männern, Frauen und Kindern aus Deutschland. Hinzu kommen laut Kölner Stadt-Anzeiger nach dem Fall der IS-Hochburg Rakka bis zu 400 DschihadistInnen aus Deutschland, die frei unterwegs sind. Drei Viertel von ihnen besitzen einen deutschen Pass.

400 Dschihadisten frei

Für die Kurden im Norden Syriens sind die Gefangenen eine Belastung. Sie riefen zuletzt die Vereinten Nationen auf, internationale Sondergerichte einzurichten, weil sie eine juristische Verfolgung nicht leisten könnten. Was eine mögliche Rückkehr angeht, ist juristisch die Lage eindeutig: „Klar ist, dass wir deutschen Staatsangehörigen die Wiedereinreise nicht verwehren können“, betonte Schleswig-Holsteins Justizministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU), die derzeit der Justizministerkonferenz vorsitzt.

Wie genau aber eine Rückkehr organisiert werden könnte, darüber gibt es Differenzen. Auch konsularisch ist die Organisation ein Problem. Die Botschaft in Syrien ist geschlossen, die von der kurdischen YPG kontrollierten Gebiete in Nord-Syrien aber werden von Deutschland nicht als eigener Staat anerkannt.

Linkspartei und Grüne würden nun lieber zügig agieren – um die Kontrolle nicht zu verlieren. Die CDU ist da zurückhaltender. Aus der CSU drängte man zuletzt darauf, Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft den deutschen Pass zu entziehen, um die Zahl der Rückkehrer auf diesem Weg zu begrenzen.

Umstrittene Rückkehr

Über Fraktionsgrenzen hinweg eint Politiker die Sorge, welches sicherheitspolitische Risiko von den vielen RückkehrerInnen ausgeht. Denn längst nicht alle IS-Rückkehrer werden automatisch in Haft genommen, längst nicht in allen Fällen liegen belastbare juristische Vorwürfe vor. Eine lückenlose Überwachung indes würde die Sicherheitskräfte überfordern.

Mehlike Eren-Wassel von der Beratungsstelle „Kitab“ erklärte, sie sehe durchaus Chancen auf eine Re-Integration von RückkehererInnen. Kitab berät in Bremen Familien, Angehörige und IslamistInnen, sofern sie sich an sie wenden. Kitab hatte zusammen mit der Hamburger Beratungsstelle Legato und anderen Fachorganisationen bereits Anfang 2017 einen Rückkehrer-Leitfaden erstellt. Kitab empfiehlt dabei eine möglichst ressortübergreifende Zusammenarbeit aller betroffenen Stellen.

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