Kommentar Fünf Sterne und Salvini: Fünf Sterne auf Abwegen

Die Fünf-Sterne-Bewegung stellt sich schützend vor Innenminister Salvini. Sie verrät dabei um der Macht willen die eigenen Prinzipien.

Salvini vor der EU- und der katalinischen Fahne

Der italienische Innenminister Salvini, hier bei einer Pressekonferenz im Rom im Januar Foto: AP

Man stelle sich vor: Die Grünen gehen in Berlin eine Koalition mit der CDU ein, und wenige Monate später fordern sie ihre Basis auf, per Mitgliedervotum einen kräftigen Ausbau der Atomkraft abzusegnen, weil die Christdemokraten das so wollen. Völlig absurd wäre das.

Ebendiese Absurdität leistet sich jetzt das Movimento 5 Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung). Per Onlinevotum reklamieren seine Aktivisten die Immunität für den Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini gegen die Justiz, die ihm Freiheitsberaubung vorwirft, weil er im August letzten Jahres 177 Flüchtlinge mehrere Tage lang auf einem Schiff festhalten ließ.

Schon erstaunlich: Auch heute noch ertönen bei M5S-Kundgebungen regelmäßig die Sprechchöre „Onestà, onestà“– „Ehrlichkeit, Ehrlichkeit“ –, gehört die Forderung, die Abgeordnetenimmunität ersatzlos zu streichen, zum Programm der Bewegung. Bei Salvini soll das alles plötzlich nicht mehr gelten.

Der Lega-Chef – Freund von Orbán und Le Pen – regiert in Rom an der Seite des M5S. Eigentlich macht diese Partnerschaft den Fünf Sternen wenig Freude. Mit seiner Politik der rüden Migrantenabwehr gelang es Salvini, dem Regierungshandeln den Stempel aufzudrücken, sich selbst und seiner Lega wahre Höhenflüge in den Meinungsumfragen zu bescheren.

Und das M5S? Jetzt lässt es zu, dass das Parlament in Italien die Justiz ausbremst, per Geltendmachung der Immunität. So wurden die M5S-Aktivisten im Onlinevotum gefragt, ob sie der Ansicht seien, Salvini habe „im öffentlichen Interesse“ gehandelt. Schon diese Formulierung ist verräterisch – weil sie ungenau bleibt. Das Gesetz nämlich sieht vor, dass das Parlament Prozesse gegen Minister verweigern darf, wenn die „im überwiegenden öffentlichen Interesse“ handeln.

Ausschlaggebend für M5S aber war ein ganz anderes Interesse: das der Fünf Sterne, die Koalition nicht in Gefahr zu bringen. Die große Frage ist, wie lange eine Fünf-Sterne-Bewegung, die sich zugunsten Salvinis selbst entkernt hat, noch Bestand haben wird.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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