Das war
: Wenn Dieselabgase die Sinne vernebeln

Hamburgs Umweltbehörde bleibt stur. Die Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge auf zwei Hauptverkehrsstraßen in der Hansestadt blieben bestehen, teilte sie am Donnerstag mit. Denn an den Grenzwerten für die Belastung der Atemluft mit Stickoxiden habe sich ja nichts geändert – auch wenn CDU, CSU, FDP und Bild das Gegenteil suggerierten.

Denn tags zuvor hatte die Europäische Kommission Berichte zurückgewiesen, nach denen sie Deutschland genehmige, den Grenzwert für Stickoxid (NO2) auf 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft zu erhöhen. „Das ist falsch“, stellt die EU-Kommission kurz und bündig fest: „Der Grenzwert von 40 Mikrogramm im Jahresmittel ist EU-weit verbindlich und von den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament beschlossen worden. Daran wird nicht gerüttelt.“

Allerdings sei es jedem Staat überlassen, wie er diesen Grenzwerte zu erreichen gedenke. Und die Große Koalition in Berlin möchte gern das Bundesimmissionsschutzgesetz lockern durch die Vorgabe, dass Fahrverbote unter 50 Mikrogramm NO2 „in der Regel nicht erforderlich sind, wenn der Grenzwert von 40 Mikrogramm durch andere Maßnahmen erreicht“ werden könne. Fahrverbote werden somit nicht ausgeschlossen – liegen aber in der Entscheidungskompetenz der Bundesländer – genauso wie bisher.

Also bleibt in Hamburg alles beim Alten und CDU-Umweltpolitiker Stephan Gamm im Dieselnebel gefangen. Er glaubt nämlich, die EU habe die Fahrverbote des grünen Umweltsenators Jens Kerstan „als reine Kampagne gegen den Diesel entlarvt“. Sobald der Bundestag „die Anhebung der Grenzwerte für Stickoxid beschlossen“ habe – was der Bundestag aber gar nicht beabsichtigt –, werde die CDU darauf bestehen, „die unsinnigen Fahrverbote unverzüglich aufzuheben“.

Nach Ansicht des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) führen die Pläne der Bundesregierung nicht zu einer Aufhebung der Fahrverbote in Hamburg. „Auch die neue Regelung entbindet Hamburg nicht von der Aufgabe, für die Einhaltung dieses Grenzwertes zu sorgen“, sagte Landesgeschäftsführer Manfred Braasch – und bemängelte zugleich, dass die bestehenden Fahrverbote dafür nicht einmal ausreichten.

Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) ist trotz alledem zuversichtlich, ein Diesel-Fahrverbot an der hoch belasteten Stadtautobahn Theodor-Heuss-Ring verhindern zu können. Dieser war 2018 nach Messungen des Umweltbundesamts mit einem Jahresmittel von 60 Mikrogramm die drittgiftigste Straße in ganz Deutschland. „Für Kiel bedeutet die Zustimmung der EU-Kommission zum flexiblen Umgang mit den Stickoxid-Grenzwerten, dass wir möglicherweise schneller in ein Szenario kommen, wo wir nicht mehr über Fahrverbote reden“, fabulierte Kämpfer ebenfalls am Donnerstag. Schließlich habe Kiel mit dieser einen Straße ja nur „ein punktuelles Problem“.

Sven-Michael Veit