wie machen sie das?
: Die Begleitende

Hildegard Young, 54, betreut als Krankenpflegerin im ­Hospiz Elias in Ludwigshafen Sterbende.

taz am wochenende: Frau Young, Sie pflegen in einem Hospiz Sterbende und müssen dabei ständig mit dem Tod umgehen. Wie machen Sie das?

Hildegard Young: Wenn jemand stirbt, macht mich das meistens traurig. Dann weine ich schon auch mal. Aber das ist nicht negativ, solche Tränen erleichtern. Und ich weiß durch meine Arbeit, wie wertvoll das Leben ist.

Haben Sie professionelle Unterstützung?

Wir haben alle paar Wochen Supervision und eine Psychologin, die wir jederzeit ansprechen können.

Was hilft noch?

Reden. Wir sprechen im Team immer wieder darüber, wie es uns mit den Patien­ten geht. Bei den Schichtübergaben können wir ansprechen, wenn uns ein Fall gerade an die Nieren geht. Dadurch habe ich zu Hause nicht mehr so sehr das Bedürfnis, über die Arbeit zu reden.

Fällt es Ihnen schwer, abzuschalten?

Früher habe ich manchmal angerufen, um zu fragen, wie es einer Patientin geht. Meine Kollegen haben mir dann gesagt: Schalt ab, ruf nicht an. Ich habe gelernt, das zu lassen. Wenn ich nach Feierabend die Tür hinter mir zumache, lasse ich alles dort.

Kann so ein Ort des Sterbens auch Lebensfreude ausstrahlen?

Bei uns ist es nicht nur traurig und leise. Oft ist es richtig lustig, wir lachen viel, genauso, wie wir weinen. Wenn jemand Geburtstag hat, feiern wir mit Musik, Sekt und Kuchen. Einmal hat ein junger Patient, Mitte vierzig, 40.000 Euro aus der Rentenkasse bekommen. Er wollte eine Party schmeißen. Also haben wir ein Catering bestellt, eine Bar und eine Soundanlage organisiert, er hat 30 Freunde eingeladen. Vier Tage nach der Feier ist er gestorben. Seine Verwandten fanden das pietätlos. Aber er wollte das so haben – und hat richtig gestrahlt.

Gehört das zu Ihrem Job – letzte Wünsche erfüllen?

Manchmal geht das. Neulich bin ich mit einer alten Dame, 93, durch die Mannheimer Innenstadt gefahren, auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins. Sie wollte das nochmal sehen. Mit einer anderen Patientin war ich im Musical „Grease“, weil sie sich das gewünscht hat.

Was tun Sie, wenn Patienten nach dem Tod fragen?

Ich bin immer ehrlich. Wenn jemand noch Zeit hat, sage ich das. Wenn absehbar ist, dass es nicht mehr lange dauert, biete ich den Patienten an, sie auf diese Zeichen hinzuweisen, wenn sie das wollen. Eine 51-Jährige hat mich vor Kurzem gefragt: „Warum ich, ich habe doch noch gar nicht alles fertig gelebt?“ Das sind Fragen, da hab ich auch keine Antwort drauf. Aber ich kann ver­sprechen, dass bei uns niemand an Atemnot, Schmerzen oder Alleinsein leiden muss. Es ist immer jemand da.

Interview: Christina Spitzmüller