Jugendamt sieht kein Versagen

Rund 1.000 Mal soll ein Campingplatz-Bewohner seine Stieftochter sexuell misshandelt und dabei gefilmt haben, von Behördenversagen will der Landrat von Hameln-Pyrmont aber trotzdem nicht sprechen

Jahrelang soll ein 56-Jähriger mindestens 29 Kinder auf einem Campingplatz in Lügde für Pornodrehs sexuell missbraucht haben – ausgerechnet diesen Mann setzte das Jugendamt Hameln Anfang 2017 als Pflegevater für ein kleines Mädchen ein. Von Behördenversagen wollte der Landrat von Hameln-Pyrmont, Tjark Bartels, am Dienstag aber nicht sprechen.

„Wir haben es mit einem Täter zu tun, der eine perfide Fassade aufgebaut hat“, betonte der SPD-Politiker. So habe es viele soziale Kontakte, Besuche in Freizeiteinrichtungen und Reitstunden für das Mädchen gegeben. Nach außen habe sich das Kind erheblich besser entwickelt als vorher, sodass das Mädchen eingeschult werden konnte.

Die Unterbringung der damals Fünfjährigen bei dem Dauercamper sei 2016 von der Mutter angeregt und sieben Monate lang intensiv geprüft worden, sagte Bartels: „Es ist entschieden worden, dass dieser Mann eine Pflegschaft eingehen kann und zwar unter enger Begleitung eines Trägers, der wöchentlich vor Ort ist.“

Die Mutter wohnt im Landkreis Hameln-Pyrmont, laut Bartels hatte das kleine Mädchen schon früher längere Zeit bei dem Mann verbracht, der der Familie nahestand.

Der 56 Jahre alte Hartz-IV-Empfänger soll über zehn Jahre hinweg auf dem Campingplatz Kinder schwer sexuell missbraucht und gefilmt haben. Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich überwiegend um Mädchen im Alter zwischen 4 und 13 Jahren. Die kleine Pflegetochter soll der mutmaßliche Täter ausgenutzt haben, um andere Opfer anzulocken.

Neben dem früheren Pflegevater sitzen ein 33-jähriger mutmaßlicher Mittäter aus Steinheim im Kreis Höxter sowie ein 48-Jähriger aus Stade wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs in Untersuchungshaft. Der 48-Jährige soll die Kinderpornos in Auftrag gegeben haben. Es geht um mehr als 1.000 Einzeltaten und 13.000 gesicherte Kinderpornodateien.

Ermittelt wird auch gegen die Polizei im Kreis Lippe sowie Jugendämter in den Kreisen Lippe und Hameln-Pyrmont. Hintergrund sind frühere Hinweise auf sexuellen Missbrauch des Pflegekindes. So hatte sich ein Vater aus Bad Pyrmont 2016 an die Polizei gewandt. Auch eine Mitarbeiterin des Jobcenters berichtete, der 56-Jährige habe sich in Bezug auf sein Pflegekind sexuell übergriffig geäußert. Ob diese Hinweise in seiner Behörde ankamen, konnte Landrat Bartels nicht sagen. (dpa)