Die Wahrheit: Wespe gegen Wessiland

„Artenvielfalt light“: Das Bienenhassland Brandenburg will aus den Fehlern der Vergangenheit beim Artenschutz lernen.

Eine Wespe frisst Bierschinken.

Wespen werden in Brandenburg jetzt mit Schinken gefüttert Foto: dpa

In Bayern wird das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ als voller Erfolg gefeiert. Schon zwei Tage vor Listenschluss hatten mehr als die erforderlichen zehn Prozent der Wahlberechtigten unterzeichnet. Das bedeutet allerdings im Umkehrschluss: Weit über vier Fünfteln der Bürger sind die Bienen entweder scheißegal oder sie wollen sogar, dass sie sterben.

Die Motive können vielfältiger Natur sein: Hier wurde jemand als kleines Kind von einer Biene gestochen, da von der „Biene Maja“ traumatisiert und dort findet jemand schlicht, dass das von Bienen gern an den Tag gelegte nervtötende Gesumme und Gewimmel in einer vom Menschen ordentlich gestalteten Landschaft rein gar nichts zu suchen habe.

In Brandenburg ist man in der Beziehung längst weiter. In manchen Regionen des Agrar­lands wurde schon seit drei Jahren keine Biene mehr gesichtet. Das sah früher noch ganz anders aus, doch mithilfe manischer Monokultur und Sprühen von Bleiarsen, mit dessen Hilfe man einst schon den Kartoffelkäfer erfolgreich niedergerungen hatte, gelang es rasch, die Plage durch die „Ratte des Blumenbeets“, wie man sie nannte, einzudämmen. Der vermeintliche Schädling stand in dem Ruf mit seiner exzessiven Honigproduktion die Volkskrankheiten Karies, Diabetes und Adipositas zu begünstigen. Auch bekamen die Kinder immer ganz schnell klebrige Hände, die man dann mühsam säubern musste.

Wo noch vereinzelt Exem­plare gesichtet wurden, besserte die Bevölkerung manuell mit Fliegenpatschen oder zusammengerollten Zeitungen nach. So ist die Märkische Oderzeitung im Volksmund nach wie vor fast besser unter dem Namen „Märkische Todeszeitung“ bekannt, ein augenzwinkernder Verweis auf den einstigen Hauptzweck der Postille.

Mit der Vespa durchs Wespenland

Doch mittlerweile hat auch hier ein Umdenken eingesetzt. Ausgelöst wurde der Sinneswandel von einer alarmierenden Entwicklung der heimischen Flora und Fauna. So ist die Kiefer die letzte verbliebene Pflanze, die Nebelkrähe der letzte Vogel und die Wespe das einzige Insekt. Nun gilt es für die politisch Verantwortlichen, wenigstens mit diesem schmalen Pfund zu wuchern. „Brandenburg muss Wespenland werden“, verkündet Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) seinen ehrgeizigen Plan.

Die Fehler, die man bei der Biene gemacht hat, will man an ihrer lässigen Schwester aus der Stadt nicht wiederholen. Der anti­autoritäre Kulturfolger soll der obrigkeitshörigen Landpomeranze den unverdienten Rang ablaufen, zu dem ihr klimafanatische Salatfresser aus Wessiland verhalfen, die zu viel „Monitor“ geguckt haben.

Unter dem Motto „Rettet die Wespen“ wird eine umfangreiche Medienkampagne dafür sorgen, dem geselligen Kuchenfreund die bislang nicht ungeteilten Sympathien geschlossen zufliegen zu lassen. Der Trickfilm „Die Wespe Wanda“, mit dessen Hilfe bereits Kinder im Vorschulalter auf die Wespenliebe eingeschworen werden, ist nur eines dieser Propagandamittel.

Der mit zwanzig Millionen Euro vom Medienboard Berlin-Brandenburg geförderte Streifen erzählt, wie die Wespe Wanda unangemeldeten Besuch von einer bayerischen Biene namens Adolf erhält. Sie bewirtet die Biene königlich und überlässt ihr ihre eigene Schlafstatt. Dennoch wird sie von Adolf bestohlen, auf äußerst primitive Weise beleidigt und schließlich zum Sex gezwungen.

Eine Wespe namens Wanda

Das wird bei einer Freigabe ab null Jahren natürlich nicht gezeigt, doch es liegt drunter: Die Bilder der weinenden Wanda mit abgebrochenen Fühlern, die ihr schwarzgelbes Ringelkleid glattstreicht, während sich die Biene mit einem Gesichtsausdruck, als wäre nichts geschehen, rotzfrech den Stachel an der Gardine abwischt, sprechen Bände.

Daneben verbreiten Gesundheitsmagazine die Kunde von der antikarzinogenen Wirkung des Wespengifts; in Talkshows schwärmen Schauspieler vom anregenden Effekt, den die Stiche für Kreativität, Fantasie und Achtsamkeit besitzen.

Doch ohne flankierende Legislativmaßnahmen wäre die ganze Öffentlichkeitsarbeit ein Muster ohne Wert. So verpflichtet ein eigens verabschiedetes Wespenpflegegesetz Straßencafés und Restaurants zur Bereitstellung offener Pflaumenmusschälchen auf jedem Tisch. In Schwimmbädern und an Badeseen müssen die Kippdeckel von den Abfallbehältern entfernt werden, damit die Tiere jederzeit ungehindert Zugang zu den Speiseeisverpackungen haben. Im Herbst ist die Bevölkerung dazu angehalten, Wespen, die schutzlos im Freien frierend angetroffen werden, bei sich zu Hause in der warmen Wohnung aufzunehmen.

Und so fiebern wir bereits jetzt der warmen Jahreszeit entgegen: Denn wenn all diese Werkzeuge greifen, hat Brandenburg gezeigt, dass zumindest so etwas wie „Artenvielfalt light“ auch mit bescheidenen Mitteln zu bewerkstelligen ist.

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