Übergriff in der Klinik St. Georg?: Zwei gegen einen

Zwei Brüder äußern den dringenden Verdacht, dass ein vermutlich obdachloser Mann in der Notaufnahme von Wachleuten angegangen wurde. Was passiert nun?

Der Eingangsbereich der Asklepios Klinik St. Georg.

Tatort oder nicht? Die Asklepios Klinik St. Georg Foto: dpa

HAMBURG taz | Auf dem orange-beige gefliesten Fußboden liegt ein Zigarettenstummel, Cent-Münzen daneben. Ein roter Fleck ist zu sehen. Es sieht so aus, als wäre das Blut.

Das Foto, das diese Szene zeigt, hat Lars Winkelsdorf auf einer Toilette in der Notaufnahme der Asklepios Klinik St. Georg gemacht. Der Journalist sagt, in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar habe es dort einen Übergriff auf einen Mann gegeben. Zwei Security-Mitarbeiter sollen ihn auf einer Toilette geschlagen und dann aus dem Gebäude geworfen haben. Auch Winkelsdorfs Bruder bekam die Situation mit und wählte den Notruf.

Gudrun Winkelsdorf war am besagten Abend Patientin in der Notaufnahme. Aus ihrem Bett heraus habe sie einen vermutlich obdachlosen Mann auf dem Flur sehen können. Schmächtig und bärtig sei er gewesen und habe eine Tasche um den Hals getragen, erzählt die Frau. Der Mann sei in die Toilette neben ihrem Zimmer gegangen. Auch die beiden Sicherheitsleute habe sie auf dem Flur gesehen. Dann sei ihre behandelnde Ärztin gekommen. „Sie hat den Männern gesagt, bevor der geht, wolle sie ihn nochmal anschauen.“ Dann habe sie nicht mehr viel mitbekommen, weil die Ärztin und ein Pfleger zu ihr kamen, sagt Gudrun Winkelsdorf.

Anders ihr Sohn Lars. Der sah nach eigenen Angaben aus dem Wartebereich heraus, wie die Sicherheitsleute in die Toilette gingen. „Für mich war nicht ersichtlich, warum die da rein sind“, sagt er. „Die haben den Mann aus der Toilette gezerrt und gewaltsam hinten durch den Zugang für Rettungswagen rausbugsiert.“ Wenig später habe er mit seinem Handy die Fotos in der Toilette gemacht.

Auch Frederik Winkelsdorf sagt, er habe den Vorfall mitbekommen. Er sei im Zimmer seiner Mutter gewesen und habe gerade mit der Ärztin gesprochen, als er Geräusche von nebenan hörte. „Es war deutlich zu hören, da hat jemand ‚Nein hör auf‘ und ‚Aua‘ gerufen“, sagt er. Das seien keine affektierten Rufe, sondern Hilferufe gewesen.

Frederik Winkelsdorf

„Ich glaube, da ist etwas passiert, wasnicht passieren darf.“

Heute bereue er, dass er nicht sofort reagiert habe, sagt Frederik Winkelsdorf. Er sei hin- und hergerissen gewesen zwischen der Angst um seine Mutter und der Sorge um das, was offenbar in der Toilette passiert war. Als er sich wieder gesammelt hatte und sein Bruder seine Eindrücke schilderte, habe er sich entschieden, den Notruf zu wählen. „Ich glaube, da ist etwas passiert, was nicht passieren darf“, sagt er. „Ich habe der Polizei am Telefon gesagt, dass ich den Verdacht habe, dass dort eine Straftat begangen wurde.“

Von dem Blut und dem Geld auf dem Fußboden habe er erzählt. Doch der Beamte am Telefon habe rumgedruckst und mit ihm diskutiert. „Das Gespräch hat vier Minuten gedauert, so lange brauche ich bestimmt nicht, um die Situation zu schildern“, sagt Frederik Winkelsdorf. Er habe auch auf die Überwachungskameras in der Notaufnahme hingewiesen, doch der Beamte habe gesagt: „Wir sind die Polizei, uns interessiert die Videokamera nicht.“ Winkelsdorf habe bei der Polizei seine Adresse und seine Telefonnummer hinterlassen, sagt er. Kurze Zeit nach seinem Notruf sei seine Mutter entlassen worden und er nach Hause gefahren. Bis heute habe er nichts mehr von der Polizei gehört.

Die Polizei bestätigt der taz den Einsatz in dem Klinikum in St. Georg. Vor Ort hätten die Beamten den Sicherheitsdienst angetroffen. Der wiederum habe mitgeteilt, dass eine Person des Geländes verwiesen wurde, weil sie im Gebäude geraucht habe. Die Person selbst sei nicht mehr vor Ort gewesen, deshalb habe die Situation nicht weiter „aufgehellt“ werden können.

„Zum Zeitpunkt des Einsatzes bestanden für die eingesetzten Beamten keine Hinweise auf ein möglicherweise strafrechtlich relevantes Handeln“, so ein Sprecher der Polizei zur taz. Die Ermittlungen zur Aufhellung des Sachverhaltes dauern demnach an und ob der Anrufer als Zeuge noch ergänzend gehört werde, sei vom Sachverhalt abhängig. Ob in der Toilette Beweise gesichert wurden, ließ die Polizei auch auf Nachfrage unbeantwortet.

Eigentlich Pflicht: Beschriftete Kleidung und Namensschilder

Auch ein Asklepios-Sprecher bestätigt, dass in der besagten Nacht Polizeibeamte vor Ort waren. Sie haben den „angeblichen Zeugen“ und das „angebliche Opfer“ aber nicht antreffen können. „Die Polizei konnte dementsprechend den angeblichen Vorfall auch nicht weiter verfolgen“, sagt er.

Die Mitarbeiter*innen der Notaufnahme seien des Öfteren mit aggressiven und alkoholisierten Personen konfrontiert. Sollten die Menschen eine Gefahr für andere darstellen, werden sie „freundlich, aber bestimmt“ hinausbegleitet. Bei kritischen Situationen werde die Polizei informiert, sagt der Kliniksprecher. Die Securities sind bei einem Tochterunternehmen von As­klepios angestellt und nach Angaben des Sprechers durch beschriftete Kleidung und Namensschilder erkennbar.

Da widersprechen die Winkelsdorfs. Beide Brüder sagen, nur ein Sicherheitsmann habe eine entsprechende Jacke getragen, der zweite sei in zivil gewesen. Namensschilder hätten sie nicht gesehen. „Ich habe die beiden an dem Abend mehrmals gesehen“, sagt Frederik Winkelsdorf. „Ich würde sie sofort wiedererkennen.“ Er könne es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, wenn dem Vorfall nicht nachgegangen würde. Er überlege, eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen.

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