Afghanische Wahlkommission gefeuert: Wahlergebnisse nicht in Sicht

Afghanistan versinkt mit dem Rauswurf der Wahlkommission im Wahlchaos. Präsident Ghani trägt eine Mitschuld an der Situation.

Präsident Aschraf Ghani mit erhobenem Zeigefinger

Aschraf Ghani, Afghanistans Präsident, hat die Mitglieder der Wahlkommissionen entlassen Foto: ap

KABUL taz | Während weite Teile Afghanistans gerade in heftigen Schneefällen versinken und es in Kabul wieder mal keinen Strom gibt, hat in der Hauptstadt politisch der Blitz eingeschlagen. Bevor sich Präsident Aschraf Ghani am Mittwoch in den Flieger zur Münchner Sicherheitskonferenz setzte, feuerte er noch schnell die sieben Mitglieder der afghanischen Wahlkommission (IEC) und die fünf Mitglieder der als Kontrollgremium fungierenden Wahlbeschwerdekommission.

Zugleich ordnete er eine Untersuchung wegen Wahlmanipulationen gegen sie sowie Ausreisesperren an. Vor wenigen Tagen noch hatten sich die IEC-Kommissare ablichten lassen, wie sie – umgeben von Aktenstapeln und einer Batterie schwarz-rot-grüner Landesflaggen – die Unterlagen der Kandidaten für die Präsidentenwahl im Juli durchackerten.

Einer von ihnen ist Ghani selbst. Angesichts seiner Regierungsbilanz voller unerfüllter Reformversprechen und wegen starker Mitbewerber ist seine Wiederwahl unsicher. Nun präsentierte sich der 69-jährige Exweltbanker und Buchautor („Wie man gescheiterte Staaten repariert“) im verbarrikadierten Präsidentenpalast den Fotografen als Macher, wie er mit ernster Miene das Dekret unterschrieb. Der Name seiner Wahlkampagne: „Die Staatsbauer“.

Auf den ersten Blick zog Ghani einen notwendigen Schlussstrich unter ein Wahlchaos, das sich seit Monaten verschlimmert. Von der Parlamentswahl im Oktober liegen aus 15 von 34 Provinzen immer noch keine Endergebnisse vor. Es gibt auch keine exakten Angaben darüber, wie viele Menschen überhaupt zur Wahl gegangen sind und wie viele Wahllokale geöffnet waren.

Zahlen unabhängiger Beobachter für die Provinz Kabul reichen von 50 bis 80 Prozent. Dort musste die Auszählung inzwischen wiederholt werden, aber auch darüber gibt es Zweifel. Die unabhängigen Wahlbeobachtergruppen, zu denen sein eigener Dachverband ACSF zählt, so Zivilgesellschaftsaktivist Asis Rafi zur taz, seien außerstande, das monatelange Hin und Her lückenlos zu überwachen.

Ein Analyst aus Masar-i-Scharif sagte der taz, die Wahlbeteiligung dort sei „so niedrig wie noch nie“ gewesen, ein anderer bestätigte das für Herat – neben Kabul die beiden größten Städte des Landes. Von außerhalb der Städte gibt es überhaupt keine zuverlässigen Angaben. Denn dort kontrollieren die Taliban große Gebiete und verhinderten oft die Abstimmung.

Verschleppte Wahlreformen

Ghani trägt selbst Mitverantwortung für das Schlamassel. Schließlich hatte er die Wahlkommissare selbst ernannt und schon 2014 geplante Wahlreformen verschleppt. Auch sein jetziger Befreiungsschlag löst die Probleme nicht. Er ließ zwar erklären, dass so Transparenz wiederhergestellt werde. Aber dass er jetzt die Chefs der Sekretariate beider Kommissionen als provisorisch Verantwortliche eingesetzt hat, lässt einen langjährigen Wahlbeobachter in Kabul den Kopf schütteln. Auch gegen sie lägen zum Teil massive Korruptionsvorwürfe vor, sagt er. Die entlassenen Kommissare seien nur „Sündenböcke“. Auch sei nicht klar, ob wirklich alle korrupt seien.

Zudem ist die Prozedur des Rauswurfs juristisch anfechtbar. Ghani hatte zuerst das Wahlgesetz geändert, ein zwischengeschaltetes Auswahlgremium abgeschafft und dann sofort die Entlassungen vorgenommen. Eigentlich müsste das noch amtierende Parlament zustimmen, aber es ist in der Winterpause.

Die Entlassenen sagen, Ghanis Wahlgesetzänderung sei ein Verfassungsbruch, weil er zugleich selbst kandidiere. Afghanistans politisches System steht ohnehin auf schwachen demokratischen Füßen. Ghanis nicht uneigennütziger Lösungsversuch könnten es noch mehr ins Wanken bringen.

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