Hundstage

„Vanishing Days“, das gelungene Langfilmdebüt des 23-jährigen Chinesen Zhu Xin (Forum)

Chen Yan in „Vanishing Days“ von Zhu Xin Foto: Abb.: Midday Hill Films

Von Fabian Tietke

Drückende Sommertage in Hangzhou im südlichen Teil Chinas: Die junge Li Senlin schlägt die Zeit tot, so gut es geht. Doch die Tage schleppen sich dahin, und seltsame Gerüche hängen in der Luft. Auch den unzähligen Ventilatoren der Wohnung gelingt es nicht, die stickige Luft zu vertreiben. Die einzigen bunten Gegenstände inmitten der gedämpften Farben, die die Wohnung der Eltern dominieren, sind ein paar Plastikäpfel und eine kleine rote Fahne.

Gelangweilt durchstreift Senlin die Stadt. Ihre Schildkröte verschwindet. Eine neue wird gekauft. Tante Qiu, deren Mann vor einiger Zeit gestorben ist, kommt zu Besuch. Während sich die Kommunikation mit der Mutter weitgehend auf Benimmregeln am Essenstisch beschränken, versucht die Tante, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Die Angestellte eines Bestattungsinstituts wird vor dem Haus erstochen. Und alle warten auf ein reinigendes Gewitter.

„Man You“ („Vanishing Days“), das Langfilmdebüt des erst 23-jährigen chinesischen Regisseurs Zhu Xin, zeigt in nüchternen, ruhigen Bildern die nur scheinbar ereignislosen Sommertage in Hangzhou. Der Film wechselt zwischen Aufnahmen der Stadt und einem Ausflug an den nahe gelegenen Qiandao-See, den die Tante mit ihrem Mann kurz vor dessen Tod unternommen hat. Während die Stadt mit ihren Gebäuden meist als blasse, anonyme Wohnburg erscheint, schwelgt die Kamera in den Aufnahmen der Natur.

Geschickt nutzt Zhu den Wechsel zwischen den Erzähl­ebenen der Gegenwart und der Vergangenheit mit einem Wechsel zwischen den urbanen Gegenden Hangzhous und den Grünflächen. Der Gang zum Tierladen beispielsweise beginnt schweigend zwischen den Wohnhäusern, führt über einen hügeligen Park, in dem sich Senlins Mutter und ihre Schwester über Vergangenes unterhalten, und endet mit dem Abstieg wieder in der Gegenwart und beim Kauf der Schildkröte.

Ein weiteres Element des Films sind Schrifttafeln, über die sich im Lauf des Films eine surreale Erzählung von einem Raumschiff erstreckt. So driftet Senlin durch die Handlung des Films, sie schweift ab zu den Ameisen auf einem Erdhügel, wenn ihre Mutter und ihre Tante sich in Geschichten aus der Vergangenheit verlieren; sie erwacht selbstvergessen auf dem Boden der Wohnung und fragt sich, wo ihre Mutter und Tante abgeblieben sind. Die verschiedenen Erzählstränge fügen sich erst nach und nach ineinander.

„Vanishing Days“ entstand während Zhus Studium an der China Academy of the Art in Hangzhou mit minimalem Budget. Trotz weniger Drehtage erstreckte sich die Produktion über zwei Jahre. Nach einem ersten Dreh unterbrach Zhu die Dreharbeiten und arbeitete ein Jahr lang mit Co-Autorin Dai Ying am Drehbuch. Die Crew bestand aus Freunden und Bekannten. Die Schauspielerinnen entstammen dem Umfeld: Jiang Li (Li Senlin) ist eine Schülerin von Zhus Mutter, Senlins Mutter wird gespielt von einer Schulfreundin von Zhus Mutter und die Tante von der Mutter eines der Produzenten.

Zhu und seinen Bildgestaltern Zhang Wei und Wang Chenhao ist es gelungen, die Schwerelosigkeit der Handlung in beeindruckende Bilder zu fassen. Weite und Enge, Distanz und Vertrautheit der Beziehungen zwischen den drei Frauen spiegeln sich in den Bildwelten des Films. „Vanishing Days“ zieht seine Spannung nicht aus oberflächlichen Konflikten seiner Figuren, sondern aus deren Hintergrund, ihrer geteilten Geschichte. Ein rundum gelungenes Debüt. Erfreulicherweise bereitet Zhu aktuell seinen nächsten Film vor.

16. 2, 16.30 Uhr, CineStar 8