Kolumne Flimmern und Rauschen: Von Witzen und Kriegsentscheidungen

Die einen haben beim Fernsehpreis viel zu lachen. Die IntendantInnen der Öffentlich-Rechtlichen müssen aber für den Rundfunkbeitrag streiten.

Marcel Reich-Ranicki und Thomas Gottschalk auf der Bühne beim Deutschen Fernsehpreis

Die Tage, an denen Marcel Reich-Ranicki, den Fernsehpreis abgelehnt hat, sind lange vorbei Foto: dpa

Der Deutsche Fernsehpreis zelebriert am Donnerstagabend wieder das Gute, Schöne, Große im deutschen Fernsehen. Auch wenn Barbara Schöneberger von Jahr zu Jahr den Fummel wechselt, dürfte das Ritual auch 2019 ziemlich ähnlich aussehen. Wir wollen jetzt auch nicht nochmal auf der gänzlich sender- und produktionsbrancheninternen Jury rumhacken. Wenn alle irgendwie in dieselbe Richtung (Preis haben wollen!) befangen sind, ist das zwar keine Unabhängigkeit, aber immerhin ein Gleichgewicht.

In Sachen eines ganz anderen Gleichgewichts sei aber hier nochmal ausdrücklich zu Kreuze gekrochen: In der letzten Fernsehpreis-Kolumne hatte ich behauptet, die Preise bei der Düsseldorfer Branchengaudi zählten im ARD-internen Belohnungsmodell absurderweise mehr als der altehrwürdige Grimme-Preis. Das ist aber nicht mehr so (und war schon zum Zeitpunkt der letzten Kolumne geändert worden, was sich Dank der brancheninternen Diskretion aber weder in der Branche noch außerhalb herumgesprochen hatte). Dafür ganz ausdrücklich einen freundlichen Applaus. (Disclaimer: Ich war mal bei Grimme und bin heute Mitglied im Freundeskreis des Grimme-Preises)

Nun sind beim Deutschen Fernsehpreis die Zeiten vorbei, da ein Marcel Reich-Ranicki – wenn auch nicht wörtlich – vom Fernsehscheiß sprach und beim Ehrenpreis der Stifter, lieber stiften gehen als ihn annehmen wollte. Heuer geht das Ding an den bekennenden Komiker, Klugscheißer und Koch Jürgen von der Lippe. Ein: „Ich kann diesen Preis nicht annehmen“ kriegen wir da höchstens als Witz.

Bei dem heute Abend aber leider kaum Intendantinnen und Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender mitlachen können. Die brauchen ihren (Galgen-)Humor ganz woanders: Ausgerechnet am Abend des Fernsehpreises sitzen sie mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder „am Kamin“, wie so kriegsentscheidende Runden außer Protokoll heißen. Es geht um die Wurst namens Rundfunkbeitrag und die Reform der Öffentlich-Rechtlichen und dürfte ungefähr so kuschelig werden wie die jüngsten Debatten im britischen Parlament.

Steffen Grimberg (früher taz, NDR und ARD, jetzt MDR) bringt jeden Mittwoch Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt.

Während einige Sendergewaltige auf die Fliehkräfte der 16 Länder setzen, die sich medienpolitisch tatsächlich nicht gerade Bombe einig sind, heißt es bei den Ländern, die Anstalten sollten sich nicht zu früh freuen. Zumindest in Sachen Beitrag scheint niemand gewillt, über die 17,98 Euro und damit die bis 2015 geltende Beitragshöhe hinausgehen zu wollen. Gäbe es hier kein Entgegenkommen der Sender, bleibe es eben bei 17,50 Euro, fast ein Medienpolitiker die Länderhaltung zusammen. Einem Gang der Anstalten zum Verfassungsgericht sähen die meisten gelassen entgegen. Klingt irgendwie tatsächlich nach Brexit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.