Raubein mit Herz

Nach viel Hin und Her tritt der scheidende Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück als SPD-Spitzenkandidat für die Kommunalwahl in Pforzheim an. Die Partei hofft, mit ihm Glaubwürdigkeit als Arbeiterpartei zurückzubekommen

Der frühere Profi-Thai-Boxer Hück trainiert Jugendliche aus Pforzheim Foto: Bernd Weissbrod/dpa

Von Benno Stieber

Da kann sich die SPD Baden-Württemberg auf etwas gefasst machen. Denn wo Uwe Hück, 56, ist, wird es laut und rummelig. Das konnte man schon sehen, als er Anfang der Woche überraschend als Betriebsratsvorsitzender von Porsche zurücktrat und im gleichen Atemzug ankündigte, mit einer eigenen Liste für die Gemeinderatswahl in seinem Wohnort Pforzheim anzutreten.

Eine „Liste der Gewinner“ sollte es sein, sagte das lang­jährige SPD-Mitglied und gab seiner Partei, die laut letzten Umfragen im Südwesten gerade noch bei 9 Prozent liegt, noch ­einen mit: „Ich liebe die SPD, aber ich will gern gewinnen.“

Die konnte es sich bei ihrer derzeitigen Lage nicht leisten, eingeschnappt zu reagieren. Nach einer Woche mit vielen Telefonaten und Gesprächen mit seinen Genossen tritt Hück nun aber doch auf der SPD-Liste an. Mit nur 5 Gegenstimmen nominierte ihn die örtliche SPD-Kreisvorsitzende Annkathrin Wulff und trat dem prominenten Kandidaten mit der markanten Glatze den ersten Listenplatz ab.

Eine entscheidende Rolle, Hück von einem Alleingang abgehalten zu haben, mit dem er wohl auch ein Parteiausschlussverfahren riskiert hätte, wird Sigmar Gabriel zugeschrieben. Die beiden kennen sich nicht nur aus der Partei, sondern auch aus der Zeit, als Gabriel mit Hück im VW-Aufsichtsrat saß – Gabriel als Ministerpräsident, Hück als Gewerkschafts­vertreter. Der frühere Parteivorsitzende gilt als einer der wenigen, auf die Hück hört. Offenbar ist er im Moment wieder eifrig ­dabei, Fäden in der SPD zu ­ziehen.

Ein anderer, auf den Hück, wie er selbst sagt, gehört habe, ist offenbar der frisch gewählte Parteivorsitzende Andreas Stoch, der zwei Jahre vor der Landtagswahl die SPD aus dem Tief führen will. Dafür hat der bereits ein Bürgerbegehren für kostenlose Kitas auf den Weg gebracht. Man kann davon aus­gehen, dass Hück, wenn er sich bei der Kommunalwahl als Stimmenbringer für seine Partei erweist, auch eine herausragende Figur im SPD-Landtagswahlkampf 2021 sein wird.

Bis dahin kann sich Hück in Pforzheim tatsächlich als Kommunalpolitiker beweisen. Die Stadt ist fast pleite und für baden-württembergische Verhältnisse ein echter Problemfall. Das liegt am Niedergang der traditionsreichen Schmuckindustrie und der Sandwich-Lage zwischen dem weiterhin boomenden Stuttgart und der wachsenden Digitalwirtschaft in Karlsruhe. Es liegt aber auch an kommunaler Misswirtschaft wie den desaströsen Crossborder-Spekulationen der Stadt unter der früheren Oberbürgermeisterin Christel Augenstein (FDP).

Der frühere Parteichef Gabriel gilt als einer der wenigen, auf die Hück hört

In dieser schwierigen Gemengelage schaffte es die AfD bei den Landtagswahlen 2016, auf Anhieb ein Direktmandat zu erringen. In Buckenberg-Haidach, jenem Stadtviertel, in dem Hück Vorsitzender des Sportvereins ist und viele Russlanddeutsche leben, bekam die AfD 48 Prozent. Von Hück wird nun erwartet, dass er bei der Kommunalwahl verhindert, dass die SPD, die nur noch mit 6 Sitzen im Rat vertreten ist, noch weitere Mandate verliert.

Mittelfristig könnte Uwe Hück der Südwest-SPD einen Teil der Streetcredibility als Arbeiterpartei zurückgeben. Hück hat sich als Vollwaise aus dem Kinderheim über eine Ausbildung als Lackierer an die Spitze des Gesamt-Betriebsrats von Porsche hochgekämpft. Als letzte Großtat hatte er mit dafür gesorgt, dass der erste Porsche mit Elektroantrieb im Werk in Stuttgart gebaut wird und so neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Seit seiner Jugend, in der er Profi-Thai-Boxer war, engagiert er sich für soziale Projekte und steigt für den guten Zweck gelegentlich noch in den Ring. Er spricht die Sprache der einfachen Leute, ist aber als Betriebsrat bei Porsche bestimmt kein besonders linker Vertreter seiner Partei. Und manchem in der Gewerkschaft geht er mit seiner Selbstherrlichkeit auf den Wecker. Mit dem Image des Raubeins mit Herz könnte er für die Partei allerdings einen glaubwürdigen Link zwischen Wählern und politischem Establishment herstellen, hofft man in der Partei.