Hajo Schiff
Hamburger Kunsträume
: Das Gestern ins Morgen retten

Der Sockel hat, wie der Rahmen, eine lange Geschichte in der Kunst. Einst notwendig, um das Alltägliche zum Besonderen zu machen, hat die Moderne beide erst minimiert und dann fast ganz abgeschafft. Nun ist der Sockel wieder da: Überlebensgroß, dreistufig und aus Beton steht er in der Eingangshalle der Hochschule für bildende Künste. Und er trägt, ganz traditionell eine Pferdefigur – jedenfalls vielleicht. Denn vor Ort zu sehen ist nichts davon. Erst der Gebrauch des Smartphones zaubert die Kunst auf den Sockel. Aber wie nun davon ein Selfie machen?

Egal ob dieser Kommentar von Priska Engelhardt und Patrick Will zur Abwanderung der Bildkultur ins Virtuelle nun höchst zeitgemäß, kritisch oder bloß ein Witz ist, es findet sich sonst genug analoge Kunst in dieser Jahresausstellung. Und manchmal riecht es sogar noch nach Ölfarbe. Eindrucksvoll malerisch imitiert sind die holländischen Kacheln in der Klasse Werner Büttner. Bei Anselm Reyles Studenten dominiert scheinbar unangepasste Kunst, die auf den zweiten Blick doch oft gefällig glatt ist.

Zwischen Abbild, Ironie und freier, emotionaler Form ist Kunst heute ein Seiltanz und genau das führt jemand in der Klasse Slominski auch vor: Live auf der Slackline quer durch den Raum. Und obwohl Kunst und Sport meist eingefleischte Feinde sind – zumal bei den Subventionen –, hat der Künstler Harry Thring sich vom Hochschulpräsidenten mit Brief und Siegel bestätigen lassen, dass er laufmäßig der schnellste Künstler aller Zeit ist. Man muss sich im Kampf um Aufmerksamkeit halt positionieren. Noch bis Sonntag, je von 14 bis 20 Uhr, ist es möglich, auch das umfangreiche Filmangebot zu nutzen, die Abschiedspräsentation des scheidenden Professors Achim Hoops zu sehen oder es den Galeristinnen, Sammlerinnen und Kritikerinnen gleichzutun, die am frühen Abend der partymäßigen Eröffnung das Haus durchschnüffelten, um sich schon mal die kommenden Kunststars vorzumerken.

Vormerken sollten sich die KunstverbraucherInnen auch die Eröffnungen im Kunstverein am Freitag. Und auch die soeben eröffnete Schau zur Malerei der Neuen Sachlichkeit und der Fotografie in den deutschen 20er-Jahren im Bucerius Kunstforum ist einen intensiven Blick wert.