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Kompost und Schokolade

Die Flächenländer belohnen Engagement mit einer Ehrenamtskarte, auch Mecklenburg-Vorpommern plant das. Hamburg tut sich schwer

Von Esther Geißlinger

Wer Gutes tut, soll belohnt werden – deshalb gibt es in Schleswig-Holstein und Niedersachsen seit mehreren Jahren die Ehrenamtskarte. Sie bringt ihren BesitzerInnen Vergünstigungen wie freien Eintritt in bestimmten Museen oder Rabatte in einigen Läden. Mecklenburg-Vorpommern will die Karte voraussichtlich ab 2020 einführen. Hamburg tut sich dagegen schwer mit diesem Instrument. Gerade macht die CDU einen neuen Vorstoß, mit ihrem Antrag beschäftigt sich demnächst der Sozialausschuss.

„Mit einer Karte würden Ehrenamtliche attraktive Vergünstigungen erhalten“, sagt Franziska Rath, Fachsprecherin für Soziales und Arbeit der Hamburger CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Das würde sicherlich viele Hamburgerinnen und Hamburger zusätzlich motivieren, selbst ehrenamtlich aktiv zu werden.“ Rath ist aber nicht die erste, die besondere Vergünstigen für die rund 550.000 Ehrenamtlichen in Hamburg fordert.

Zuletzt debattierte die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte 2017 das Thema. Die Grünen hatten beantragt, die freiwillig Engagierten mit verbilligten Monats- oder Jahreskarten für Busse und Bahnen zu belohnen. Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration verwies damals darauf, dass diese Idee bereits früher diskutiert und abgelehnt wurde: Sozialtickets für Ehrenamtliche würden „zu unverhältnismäßig hohen Kosten und einem nicht zu leistenden Aufwand führen“, heißt es in den Sitzungsunterlagen. Als einen Grund, warum die Karte immer noch nicht in den Portemonnaies der Freiwilligen steckt, nannte die Sozialbehörde das mangelnde Interesse der Beteiligten selbst: „Der Wunsch nach einer solchen Karte sei weder von den freiwillig Engagierten selbst noch von Organisationen, die freiwillig Engagierte beschäftigen, artikuliert worden.“

Statt der Ehrenamtskarte gibt es in der Hansestadt den „Hamburger Nachweis“. Er bescheinigt ehrenamtliches Engagement und kann etwa bei Job-Bewerbungen vorgelegt werden. Mit dieser Karte sind jedoch keine finanziellen Vorteile oder Rabatte verbunden.

Wer sich in den benachbarten Flächenländern engagiert, wird dagegen belohnt – auf unterschiedliche Weise. Im niedersächsischen Bad Lauterberg gibt es bei einem Konditor die handgeschöpfte Schokolade billiger, und bei der Abfallwirtschaft Leer dürfen sich KarteninhaberInnen einen Kubikmeter eines „Kompostprodukts freier Wahl“ mitnehmen. Im schleswig-holsteinischen Neumünster zahlen Ehrenamtliche weniger für den Tierparkbesuch, und in einem Lokal gibt es zum Essen einen Gratiskaffee dazu. In Nordfriesland zählt eine kostenlose Fahrt mit der Lore zur Hallig Oland zu den Vergünstigungen. In Lübeck gibt es im Willy-Brandt-Haus eine Willy-Biografie geschenkt.

Die Karte ist an Bedingungen geknüpft: Drei Stunden pro Woche oder 150 Stunden Engagement im Jahr werden in Schleswig-Holstein verlangt, in Niedersachsen sind es fünf Stunden pro Woche oder 250 Stunden im Jahr. Auch eine mehrjährige Dauer des Engagements ist gefordert. Diese Bedingungen finden sich auch im Konzept zur Ehrenamtskarte in Mecklenburg-Vorpommern. Dort muss das Parlament noch entscheiden, ob ehrenamtlich Engagierte künftig Rabatte bekommen sollen.

In Niedersachsen händigen die Gemeinden oder Kreise die Ehrenamtskarten aus. Schleswig-Holstein hat ein eigenes Büro in Kiel eingerichtet, dessen Leiter René Küppers die Anträge bearbeitet. 8.800 Ehrenamtliche haben die Karte bereits erhalten, berichtet Küppers. Hinzu kommen rund 15.000 Menschen, die bei den Freiwilligen Feuerwehren engagiert sind. Und seit Neuestem bekommen auch Jugendliche, die eine Jugendleiter-Card (Juleica) besitzen, die Ehrenamtskarte. „Wir sind das erste Land, das das macht“, freut sich Küppers.

Eine Premiere gibt es auch in Flensburg: Wer sich ehrenamtlich engagiert, braucht keine Parkgebühren zu zahlen. Seit April 2017 hat die Stadt das Modell getestet, jetzt wurde die Maßnahme fest beschlossen. „Die Stadt ist damit Vorreiterin und Vorbild für viele andere Kommunen“, so ein Sprecher. Zurzeit nutzen in Flensburg rund 70 bürgerschaftlich Engagierte – etwa des Tierschutzvereins, der Tafel oder der Flüchtlingshilfe – die Möglichkeit, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben frei zu parken. Einer aktuellen Umfrage zufolge plant keine andere Stadt in Schleswig-Holstein ein entsprechendes Angebot.

Insgesamt besitzen in Schleswig-Holstein rund 30.000 Menschen die Ehrenamtskarte, sagt Küppers. „Klingt viel, aber das ist immer noch nicht genug.“ Schließlich seien rund 43 Prozent der über 16-Jährigen im Land in irgendeiner Weise ehrenamtlich tätig – die Karte nutzt nur ein Bruchteil davon.