CTM-Festival in Berlin: Durchhalten und Beharren

Am Freitag beginnt in Berlin der Club Transmediale (CTM). Das „Festival for Adventurous Music“ steigt zum 20. Mal. Ein Rückblick und eine Vorausschau.

Zwei DJs stehen am Mischpult

Tarawangsawelas: Tegu Permana und Wisnu Ridwana Foto: CTM

Tarawangsa wird die geistliche Musik im Westteil der indonesischen Insel Java genannt. Sie begleitet ein mehrstündiges Ritual, zu dem auch Tänze, Gebete und Opfergaben gehören. Aus der Millionenstadt Bandung kommt das Duo Tarawangsawelas, das den traditionellen Sound behutsam erneuert.

Sein Name leitet sich ab von der Tarawangsa, einem zweisaitigen, aufrecht mit einem Bogen gespielten Streichinstrument, das zusammen mit der gezupften siebensaitigen Zither Jentreng als Klangbasis für die Musik dient. Aufgestöbert hat Tarawangsawelas der libanesische Elektronikproduzent Rabih Beaini, der zusammen mit den beiden indonesischen Musikern Teguh Permana und Wisnu Ridwana am Samstag das Eröffnungskonzert des Berliner Festivals CTM (Club Transmediale) bestreitet.

Tarawangsawelas erweitern das Vorstellungsvermögen von traditionellem indonesischem Folk, der im Westen meist gleichbedeutend mit der perkussiven Gamelan-Musik ist. Der mit Effektgeräten bearbeitete hypnotische Sound von Tarawangsawelas lädt ein zum Wegfloaten. Im Drone-Charakter seiner Melodien wandert die Imagination in kosmische Gefilde. Fundamentalisten stoßen sich wiederum an den „verwestlichten“ Performances des Duos.

Abseits des angloamerikanischen Kanons

Der Auftritt von Tarawangsawelas passt gut zum Festival CTM, das KünstlerInnen jenseits des angloamerikanischen Elektronik-Musik-Kanons verstärkt Konzerte gewährt. So sind etwa Projekte aus Russland, Brasilien und China am Start. Dieses Jahr geht CTM zum 20. Mal über diverse Berliner Bühnen. Und sein Jubiläums-Motto steht im Zeichen von „Persistence“ (Beharrlichkeit): Einst gegründet als D-i-Y-Festival an wechselnden zwischengenutzten Orten im Ostberlin der späten Neunziger, ist es längst fester Bestandteil des Hauptstadt-Kulturkalenders und zieht viele internationale BesucherInnen an.

CTM-Festival Berlin, diverse Orte. 25. Januar bis 3. Februar

www.ctm-festival.de/­festival2019/welcome

CTM-Mitbegründer und Kurator Jan Rohlf will das Festivalmotto doppeldeutig verstanden wissen. Er sagt, das Beharren auf den eigenen Positionen erschwere im Zeitalter der Polarisierung jeden Dialog, einerseits. „Andererseits, wissen alle KünstlerInnen, dass ohne Beharrlichkeit nichts vorwärts geht. Wir beharren mit Methode, darauf, dass wir mit CTM einen Ort schaffen, an dem Dinge in Bewegung bleiben, unterschiedliche Menschen zusammenkommen und diverse Kunstpraktiken gepflegt werden. Dem haben wir in allen Stadien des Festivals entsprochen.“

Die Wurzeln des CTM liegen in der Clubkultur der Berliner Nachwendezeit, damals zirkulierte bereits die Idee, Grenzen zwischen Rave, experimenteller elektronischer Musik und Performancekunst aufzulösen. Verwirklicht hat das die erste CTM-Ausgabe, 1999, damals noch im Club „Maria am Ostbahnhof“.

Spontan umgestaltet

Das Konzept entwickelte sich überhaupt erst während des Festivals, erinnert sich Rohlf. Die Clubbetreiber waren in Urlaub und händigten den CTM-Machern vorher die Schlüssel für ihr Gebäude aus. „Wir haben die Räume spontan umgestaltet.“ Das wäre heute unmöglich: 2019 findet CTM an 15 Spielorten in Berlin statt, darunter eine Eisbahn und professionell geführte Theater, Clubs und Konzerthallen wie Hebbel am Ufer, Berghain und Heimathafen Neukölln. „Wir erreichen dadurch ein anderes Produktionsniveau, aber die unmittelbare Mischung von früher ist verlorengegangen“, gesteht Rohlf.

Allen Legitimationskrisen zum Trotz, das Festival CTM hat einfach immer weitergemacht

Und trotzdem, es ist eine schöne Momentaufnahme, dass CTM allen Legitimationskrisen zum Trotz weitergemacht hat. Und sei es, dass aus dem rein elektronischen Musikprogramm inzwischen ein hybrides „Festival for Adventurous Music“ geworden ist, an dem an acht Tagen mehr als 150 KünstlerInnen auftreten: „Wir sind an einem postdigitalen Punkt angelangt, ob Musik rezipiert, produziert, oder distribuiert wird, immer sind digitale Medien involviert. Gleichzeitig erlaubt diese Herangehensweise, dass man alles noch wilder verschaltet.“

Auch bei der Ausgabe 2019 gibt es hochkarätig besetzte klassische DJ-Abende, etwa mit der queeren Chicagoer Produzentin The Black Madonna und der Portugiesin Violet. Die Londoner R&B-Hoffnung Tirzah gastiert erstmals in Berlin, auch das im Rahmen der CTM. Ebenso spannend dürfte es sein, wenn der irakisch-libanesische Aktivist Khyam Allami über die von ihm entwickelten Plugins für Musiksoftware spricht. Sie sollen die Klangelemente von arabischer Musik exakt wiedergeben, wie das so bisher am Computer nicht möglich war.

Ende der Zusammenarbeit

Aus dem Do-it-yourself-Charakter von einst ist ein Festival geworden, das etwa mit finanziellen Mitteln der Berliner Senatsverwaltung, vom Auswärtigen Amt und der EU gefördert wird. Beendet wurde jedoch die Zusammenarbeit mit der Red Bull Music Academy, die in den vergangenen Jahren jeweils ein Konzert beim CTM ausgerichtet hatte.

Ausschlaggebend dafür war unter anderem die fragwürdige politische Haltung von CEO Mateschitz. „Problematisch für uns ist, dass RBMA stärker an Red Bull herangerückt ist“, erklärt Rohlf, sieht die Sponsoring-Arbeit der RBMA durchaus differenziert. „Wenn man in Detroit Leuten Musik ermöglicht, die überhaupt keine Kulturförderung haben, kann das eine positive Sache sein. Aber der Diskurs in Deutschland und Österreich ist ein anderer.“ Für Rohlf ist es „problematisch, wie Red Bull als Medienunternehmen in den politischen Diskurs in Deutschland und Österreich hineinwirkt“.

Er sieht eine große Diskrepanz zu dem, wofür die Künstler-Community, mit der wiederum CTM verbunden ist, steht. „Es drängt sich der Eindruck auf, der Mateschitz erkenne im Freiheitsdrang künstlerischer Praxis libertäre Werte, denen er vielleicht selber anhängt. Man kann nicht einfach ausblenden, wofür Künstler eintreten. Das hat immer etwas zu tun mit Vergemeinschaftung und Solidarität und damit, sich einzusetzen für Leute, die nicht die gleichen Privilegien haben wie wir. Da fällt es für uns auseinander und deshalb haben wir gesagt, da können wir nicht mehr mitgehen.“

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