Nach Anschlag erneut Alarmin Nordirland

Die Polizei gab am Montagnach verdächtigem Vorfall eine Sicherheitswarnung in Derry heraus

Aus Dublin Ralf Sotscheck

Am Montagmittag gab es erneut Großalarm in Nordirlands zweitgrößter Stadt Derry, die bei protestantischen Unionisten Londonderry heißt. Drei maskierte Männer hätten einen Lieferwagen gekapert, einen Gegenstand in den Laderaum geworfen und seien dann weggerannt, gab die Polizei bekannt. Das Gebiet sei abgesperrt.

Am Samstagabend erst war eine Autobombe vor dem Gerichtsgebäude in Derry explodiert. Zuvor hatte es eine telefonische Warnung gegeben, so kam es zum Glück nur zu Sachschäden. Die Polizei machte die militante Gruppierung New IRA dafür verantwortlich. Am Sonntag waren vier Männer festgenommen worden.

Der Anschlag sollte offenbar an den 100. Jahrestag des Angriffs von Soloheadbeg erinnern, erklärte die linksradikale Partei Saoradh auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Im Januar 1919 hatte die Irisch-Republikanische Armee (IRA) unter Führung von Seán Tracey im südirischen Tipperary zwei Polizisten getötet. Es war der Auftakt zum irischen Unabhängigkeitskrieg. Saoradh postete deswegen: „Es scheint, dass Seán Traceys Genossen hundert Jahre später die unvollendete Revolution fortführen.“

Saoradh, irisch für „Befreiung“, soll der politische Arm der New IRA sein. Der Parteivorsitzende David Jordan bestreitet das: Saoradh habe keine Verbindungen zu anderen Organisationen. Beim Gründungsparteitag 2016 in der nordirischen Grenzstadt Newry wurde allerdings eine Solidaritätserklärung von New-IRA-Gefangenen verlesen.

Die „Neue Irisch-Republikanische Armee“ ist 2012 durch eine Fusion der Real IRA mit anderen Dissidentengruppen entstanden. Seitdem hat die Organisation zwei Gefängniswärter und einen Polizei-Informanten getötet. Darüber hinaus ist sie für zahlreiche Anschläge verantwortlich.

Zwei Männer Anfang 20 sind Sonntag früh in Zusammenhang mit der Explosion verhaftet worden, am Abend wurden zwei weitere Männer im Alter von 34 und 42 Jahren festgenommen. Einen weiteren 50-jährigen Verdächtigen setzte die Polizei nach eigenen Angaben am Montag fest.

Nordirlands Polizei schätzt die Zahl der Dissidenten auf mehrere Hundert. Neben der New IRA gibt es die Continuity IRA, das Irish Republican Movement, Arm na Poblachta und andere. Der stellvertretende Polizeichef Stephen Martin sagte, die Anführer der New IRA seien schon früher in der IRA aktiv gewesen, es gebe aber auch jüngere Mitglieder.

„Die Bedrohung ist gering im Vergleich zur IRA während des Konflikts“, sagte Martin, „aber wir nehmen die Sache nicht auf die leichte Schulter.“ Die IRA hatte damals erhebliche Unterstützung beim katholisch-nationalistischen Bevölkerungsteil. Seit dem Friedensprozess, der am Karfreitag 1998 in das Belfaster Abkommen mündete, das Katholiken ein Mitspracherecht in nordirischen Angelegenheiten verschaffte, ist es mit dieser Unterstützung jedoch weitgehend vorbei.