berlinmusik
: Zweite Geige

Verkehrte Welt: Wenn ein Komponist eine Sonate für die Instrumente Geige und Klavier schreibt, scheint die Hierarchie klar verteilt. Das vorwiegend gestrichene Saiteninstrument spielt die Melodie, das mit den Tasten übernimmt die Begleitung. Aber andersherum?

Bei Mozart, wie überhaupt zu seiner Zeit üblich, gibt es Sonaten, die er für Klavier und Violine geschrieben hat, mit der Geige bewusst an zweiter Stelle. Bei den hier versammelten Werken Mozarts, den „Sonatas for fortepiano and violin vol. 1“, eingespielt von der Berliner Geigerin Isabelle Faust und ihrem ebenfalls in Berlin lebenden Pianisten-Partner Alexander Melnikov, gehören zwei davon zu einem Zyklus, den Mozart 1778 unter dem Titel „Sechs Sonaten für Cembalo oder Klavier mit Begleitung einer Violine“ veröffentlichte. Dabei hatte er die Stücke als Duette gedacht, in denen beide Instrumente gleichberechtigt ins Gespräch kommen. Will sagen, die Violine steht nicht, wie sonst üblich, an erster Stelle, sie dominiert das Geschehen nicht.

So weit, so ungewöhnlich. Ebenfalls ungewöhnlich an dieser Aufnahme ist die Wahl der verwendeten Instrumente. Faust spielt auf einer Stradivari von 1704, einem echt historischen Exemplar, und Melnikov sitzt an dem Nachbau eines Instruments von 1795, einem Fortepiano, wie man zu Mozarts Zeiten dazu sagte.

Dieses „Lautleise“, so die wörtliche Übersetzung, im Deutschen heißt es schlicht „Hammerklavier“, arbeitet wie ein modernes Klavier mit Hämmern, die auf die Saiten schlagen. Bloß war die Technik damals delikater, statt der heutigen Metallrahmen zog man die Saiten auf Holzrahmen, die weniger Spannung aushielten, verwendete weniger und dünnere Saiten.

Die Stücke klingen dadurch einerseits weicher, auch weil das Hammerklavier etwas länger nachhallt als ein moderner Flügel, andererseits heller, weil der Klang selbst dünner ist. Ähnlich wie bei einer Zither. Damit passt Melnikovs Part bestens zu Fausts vibratoarmem, scharf fokussierten Ton. Da schleifen sich die Obertöne nicht gegenseitig ab, sondern reiben sich gern schon mal aneinander, schaffen zugleich jedoch auch gemeinsam etwas Neues. Wie in einem echten Dialog. Tim Caspar Boehme

Wolfgang Amadeus Mozart: „Sonatas for fortepiano and violin vol. 1“, Isabelle Faust, Alexander Melnikov (Harmonia Mundi)