Esther Slevogt
betrachtet das Treiben
auf Berlins Bühnen
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Der Heimathafen Neukölln hat in diesen Tagen, in denen sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 74. Mal jährt, noch mal ein Stück im Programm, das sich einem recht unbekannten Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte widmet. Es zeigt, was nach Kriegsende geschah, als sich die Überlebenden der Shoah aus Osteuropa plötzlich in Deutschland wiederfanden, in Lagern für sogenannte „Displaced Persons“ also Staatenlose. Denn in Deutschland regierten als Besatzer die Briten und Amerikaner. An sie waren die Hoffnungen der Überlebenden auf Hilfe und Emigrationsmöglichkeit geknüpft. Das Rechercheprojekt „Nicht von hier Irgendwo“ des Kollektivs „Futur II“ hat auf der Basis von Archivmaterial, Erinnerungen, jiddischen Texten sowie Bildern und Videoaufnahmen ein szenisches Mosaik von Lebenssituationen und (Flucht-)Erfahrungen des Dazwischen gefertigt: zwischen dem Grauen des Gestern und der Hoffnung auf ein wieder möglich gewordenes Morgen. Gleichzeitig entstand in diesen Lagern im Jetzt die jiddische Kultur in ihrem ganzen Reichtum noch einmal kurz auf, die von den Nazis zerstört worden war (Heimathafen Neukölln: „Nicht von hier Irgendwo“, 1. & 2. 2., 19.30 Uhr).

Sie ist eine Reiz- und Projektionsfigur, an der sich die Geister seit Jahrtausenden scheiden: Medea, die Frau, die ihre Kinder tötet. Was war der Motor dieser Tat? Ist Medea überhaupt Täterin? Oder Opfer? Im English Theatre hat sich das 2013 in Lissabon gegründete Kollektiv „Divas Iludidas“ dieser umstrittenen Frauenfigur angenommen und fragt in deutscher, englischer und portugisischer Sprache: „Wer ist Medea? / Who is Medea? / Quem e Medeia?“ und zwar anhand von Texten von Euripides, Heiner Müller, Christa Wolf, Chico Buarque und Paulo Pontes (English Theatre: „Wer ist Medea? / Who is Medea? / Quem e Medeia?“ 2. 2., 20 Uhr).

Gerade hat der Schauspieler Alexander Scheer für seine Darstellung des DDR-Liedermachers Gerhard Gundermann in Andreas Dresens Film diverse Preise abgeräumt. In der Wabe kann man nun die Originalband „Seilschaft“ des 1998 im Alter von nur 43 Jahren verstorbenen Dichters, Sängers und Bergarbeiters hören, die hier im Zuge ihrer 2019-Tour Station macht. „Weistunoch“ ist die Tour nach einem der schönsten Gundermann-Lieder überschrieben. „Weistunoch, wir hatten uns so an diesen Sommer gewöhnt / und nun ist er fast vorbei“, heißt es darin unter anderem, „der Garten bäumt sich auf, ein letztes Mal … Wir wissen, dass alles, was kommt, auch wieder geht / warum tut es dann immer wieder so weh?“ (Wabe: Die Seilschaft Tour 2019 „Weistunoch“, 3. 2., 19.30 Uhr)