heute in hamburg
: „Sie könnten die Abläufe stören“

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Jacqueline Hénard, 61, Historikerin und Publizistin, veröffentlicht über europäische Themen und arbeitet in der Geschäftsführung eines Beratungsunternehmens.

Interview David Günther

taz: Frau Hénard, glauben Sie, dass im Mai mehr populistische Parteien ins EU-Parlament gewählt werden?

Jaqueline Hénard: Ja, da sich die populistischen Kräfte in allen europäischen Ländern stark entwickelt haben.

Wie konnte es dazu kommen?

Das ist eine komplexe Frage, die man nicht so einfach beantworten kann. Es gibt nationale wie globale Gründe.

Zum Beispiel?

Es gibt ein Unverständnis, was Demokratie leisten kann. Außerdem hat sich ein Spannungsfeld zwischen Politik und Wirtschaft aufgetan, das früher stärker zugunsten der Politik wirkte und heute stärker aus einer wirtschaftlichen Logik artikuliert.

Was ändert sich, wenn mehr europakritische Parteien ins EU-Parlament kommen?

Viele Entscheidungen, die ohnehin schon einen langen Prozess beanspruchen, könnten sich nochmal verlangsamen. Es gibt wechselnde Interessenkoalitionen, da können Bewegungen durch Dritte verstärkt oder geschwächt werden. Die populistischen Parteien haben bisher keine konstruktiven Beiträge geleistet und könnten nun verstärkt die Abläufe stören.

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Könnten dadurch in der deutsch-französischen Beziehung Konflikte entstehen?

Es gibt viele Felder, in denen Deutschland und Frankreich verschiedene Interessenslagen haben. Ihre Fähigkeit, zu Kompromissen zu gelangen, bildet den Treibstoff des europäischen Motors. Populistische Parteien werden hier, aufgrund ihrer inneren Logik, spalterisch zu wirken, diese Themen herausgreifen und die Divergenzen verstärken. Paradoxerweise gibt es gar Ansätze zur Zusammenarbeit.

Haben Sie ein Beispiel?

Denken Sie an das Treffen der Vorsitzenden verschiedener populistischer Parteien in Koblenz im Januar 2017 unter dem Motto „Freiheit für Europa“.