wochenschnack
: Abschied von Schmidtvater

Über die Projektion Helmut Schmidt und seinen alten Kritiker Thomas Ebermann berichteten wir letzten Samstag

Zunehmend sagenumwoben: Helmut Schmidt Foto: dpa

Zwei Herren in Zivil

„And now“, wie es bei Monty Python heißt, „for something totally different.“

Es war einmal ein guter praktischer Arzt namens Prof. Dr. Kurt Grobe. Der war dem Heiligmäßigen so nah wie nur je jemand, der je jewohin hat Zigarrenasche fallen lassen. In Gera hatte er als Sozi erst unter den Nazis, dann unter den Kozis zu leiden, deshalb zog er um und machte im Hamburger Arbeiterstadtteil Horn eine Praxis auf. Und er las viel und machte sich so seine Gedanken und blieb Sozi.

So konnte es nicht ausbleiben, dass er erstens Trauzeuge, meines Vaters wurde, als dieser meine Mutter freite, und zweitens Spitzenkandidat der Deutschen Friedensunion (DFU), einer sanft kryptokommunistischen, knickrig vom Osten bezahlten, völlig unschädlichen kleinen Partei, die hoffte, dermaleinst zum Sammelbecken aller linken, fortschrittlichen Kräfte zu werden, was sie, ohne es zu wissen, bereits war, denn mehr war nicht drin.

Das ging ja aber so nicht weiter. Deshalb stellten sich jeden Morgen zwei Herren in … äh… Zivil unten an die Eingangstür des Hauses in der Horner Landstraße, in dessen zweitem Stock sich die Praxis unseres Spitzenkandidaten befand, und fragten die Leute aus: „Wohin wollen Sie?“ Wenn die Leute sagten: „Zum Arzt“, sagten die zwei Herren in Zivil: „Ja, wussten Sie denn nicht, dass der ein ganz übler Engelmacher ist?“, erzählten ständig wechselnde Schauermärchen und empfahlen andere Ärzte. Wer aber darauf bestand, zu diesem Arzt gehen zu wollen, oder wer sagte, er will zu Köhlers im 4. Stock, der durfte passieren. Wir lebten ja schließlich in einem Rechtsstaat und nicht in einer Stasi-Diktatur.

Das war damals. In der Zeit, als Herausgeber sich vor ihre Redakteure stellten, wenn die etwas geschrieben hatten; als Bill Haley noch lebte, die Erde noch und auch die Hoffnung.

Dahin, dahin. Damals war Jupp Müller-Marcin Herausgeber der Zeit. Und Helmut Schmidt war Innensenator in Hamburg. Lowandorder, taz.de

Flut-Legende

Erstaunlich wie wenig Ebermann trotz angeblich hoch motiviertem Sinn an konkreter Kritik an Schmidt-Schnauze einfiel. Wusste er von vielem nichts, oder hat er sein Wissen vor lauter Angstschweiß im nassen Hemd beschwiegen? Wer war der Journalist, der ihn tags zuvor befragt?

1983 geht Ebermann, wie auch ich lange, der Legende vom Flutkatas­trophen-Manager Polizeisenator Helmut Schmidt auf den Leim. Dabei inszeniert Schmidt seine Feuertaufe als strammer SPD-Parteisoldat und Ausputzer mit Sinn für exotische Lösungen für den in die Enge geratenen Regierenden SPD-Bürgermeister Hamburgs, Paul Nevermann, was Schmidts SPD-Politiker-Karriere für höchste Ämter empfiehlt.

„Zigaretten qualmender Schmidt“ auf allen Kanälen zu Lande, zu Wasser, in der Luft, um das zum Himmel schreiende Versagen des Hamburger Senats, den Deichbau für in der Wilhelmsburger Tiefebene in Behelfsheimen wohnenden Ostflüchtlinge sträflich versäumt zu haben – 340 Flutopfer-Tote sind zu beklagen – aus den Schlagzeilen zu halten, was bis heute gelingt. Joachim Petrick, taz.de

Oft kopiert

Ich war in der GAL eigentlich kein Freund von Ebermann, aber seine Reden fand ich meistens sehr, sehr gut. Die Schmidt-Rede gehört da voll dazu, insbesondere den Teil von „leitenden Angestellten“ habe ich oft kopiert, wenn ich später mal selbst mit solchen Leuten zu tun hatte.

Christian Schmidt, taz.de

Deutscher Messias

Der Deutsche braucht einfach seinen Messias. Wählerisch ist er hierbei eher nicht. amigo, taz.de

Alles gesagt

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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Was ich an Schmidt am Besten finde, ist seine Parodie durch Matthias Richling. Köstlich. Bewunderung über die Form. Barmherziges Schweigen über die Inhalte.

Mit seinem Satz „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ hat Schmidt alles über sich gesagt. Abteilung: selbstredend.

Wolfgang Leiberg, taz.de

Alle Fakten parat

Helmut Schmidt war ein hochintelligenter, humorvoller und schlagfertiger Gesprächspartner, der auch noch alle Daten und Fakten parat hatte. Das ist wohl der Hauptgrund für seine öffentliche Präsenz nach seiner politischen Karriere – nicht sein Profil oder der perfekt sitzende Scheitel.

Er wäre zudem der erste gewesen, dem ein schnoddriger Kommentar zum Thema Helden eingefallen wäre.Zven, taz.de