Hamburg klagt gegen Datenschutz

Behörde will umstrittene Software weiter nutzen

Nun lande der Streit zwischen der Hamburger Innenbehörde und dem Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar endgültig vor Gericht. Knapp einen Monat nachdem Caspar die Löschung der im Rahmen der G20-Ermittlungen aufgebauten „biometrischen Referenzdatenbank“ anordnete, hat die Innenbehörde am Dienstag vor dem Oberverwaltungsgericht Klage gegen die Anordnung eingereicht. Sie geht davon aus, dass diese „rechtswidrig ergangen“ sei.

Die Klage hat aufschiebende Wirkung gegen Caspars Anordnung, die Daten bleiben bis zum Urteil ungelöscht. Der Sprecher der Innenbehörde kündigte in der taz an, sie „weiter einzusetzen“. Und Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) betont immer wieder, ohne Videmo 360 hätte es bei der Fahndung nach potentiellen G20-Straftätern kaum Erfolge gegeben. Sollten Anklage und Verurteilung aber auf rechtswidrig erworbenen Beweismitteln beruhen, haben die Gerichte und auch Grote ein Problem – viele Verfahren müssten möglicherweise neu aufgerollt werden.

Welchen Einfluss die umstrittene Software auf die G20-Strafverfahren hat, lässt sich beim Prozess gegen fünf Angeklagte erkennen, die an dem Aufmarsch durch die Elbchaussee teilgenommen haben sollen, aus dem heraus zahlreiche Straftaten begangen wurden. Von vier der Angeklagten hat die Polizei dank Videmo 360 ein fast lückenloses Bewegungsprofil von ihrer Ankunft in Hamburg bis zu ihrer Abreise erstellt. Ohne Einsatz der Identifizierungs-Software wäre es der Staatsanwaltschaft vermutlich unmöglich gewesen, Anklage zu erheben.

Caspar, der erst seit Kurzem die Kompetenz hat, den Einsatz von datenschutzrechtlich bedenklichen Instrumenten zu untersagen, hatte moniert, dass die Software Bewegungsprofile von Tatverdächtigen, aber eben auch von Unbeteiligten erstelle. Vermutlich seien „Hunderttausende“ betroffen, die biometrische Datenbank bedeute „eine nie da gewesene Kontrollmacht für staatliche Stellen, die im Besitz von Bildern sind“, so Caspar. Da fehle die Rechtsgrundlage.

„Wir haben die Nutzung datenschutzrechtlich intensiv geprüft und sehen den Einsatz von einschlägigen Rechtsgutachten gedeckt“, hält der Innenbehörden-Sprecher dagegen. Der FDP reicht das nicht: Sie forderte am Mittwoch in der Bürgerschaft vom Senat eine „Bundesratsini­tiative für die Schaffung einer spezifischen Rechtsgrundlage zur Nutzung von Gesichtsanalysesoftware durch die Strafverfolgungsbehörden“. Ohne diese agiere die Polizei im rechtsfreien Raum und die Grundrechte der Betroffenen seien nicht definiert und damit nicht existent. Marco Carini