Ausgehen und rumstehen von Thomas Mauch
: Maschinenraummusik, im Brummen sehr archaisch

Bei den ganzen Feierlichkeiten zum 68er-Jahr, die bis vor Kurzem noch den kulturellen Fest- und Erinnerungskalender prägten, ist ein wenig übersehen worden, dass da auch ein Album herausgekommen ist, das unbedingt als prägend zu gelten hat: „Switched-On Bach“ von Wendy Carlos, die damals, als das Album im Oktober 1968 erschienen ist, noch Walter hieß.

Die Platte war megaerfolgreich. Bis heute gilt sie als das bestverkaufte Album mit klassischer Musik. Stücke von Bach eben, die aber halt mit dem Moog-Synthesizer gespielt wurden. Weil der damals nur jeweils einen Ton ausspucken konnte, war die Einspielung eine ungemein mühselige und zeitraubende Angelegenheit. Aber es ging eben: Bach am Synthesizer. Eine Revolution.

Die brachte eine ganze Generation und vor allem die Popmusik überhaupt erst zu diesem neuen elektronischen Instrument. Und es war eigentlich gleich auch die Konterrevolution, weil es Carlos schon um den Beweis ging, dass man mit der neuen Technologie durchaus auch eine nette und ansprechende Musik machen könne und nicht nur dieses sperrige und hässlich klingende Zeug, wie das bei der Avantgarde, die bis dahin die Experimente mit dem Elektronischen für sich reklamiert hatte, zu hören war.

Der erste Triumph der elektronischen Musik hat also eine satte barocke Grundierung.

Was sich weiterhin mit diesem Spagat zwischen den Zeiten ein wenig wunderlich anfühlt. Weil die Plattensammlung in dem Segment neu sortiert werden musste, hörte ich dieser Tage wieder in das Switched-On-Album rein – auch zur Vorbereitung auf das Ultraschall-Festival, bei dem es in diesem Jahr einen kleinen Schwerpunkt zu Synthesizermusik gab.

In dem Zusammenhang muss man bei diesem „Festival für neue Musik“ fast schon einmal von einer Plattform für „alte“ Musik sprechen, weil die frühe Generation von elektronischer Musik eigentlich bereits eine Sache der Musikarchäologie ist.

So schnelllebig die Zeiten: Die digitale Klangverarbeitung hat eben die davor benutzten analogen Synthesizer so weitgehend verdrängt, dass etwa für die Präsentation von „Stries“, einem Werk von Bernard Parmegiani aus dem Jahr 1980, so alte analoge Gerätschaften erst wieder aufgetrieben und überhaupt in Gang gesetzt werden mussten.

Bei der Aufführung mit dem Synthesizer-Trio Lange-Berweck-Lorenz hörte man so am Freitag im Radialsystem eine Maschinenraummusik und dass die Sounds bei dem Stück doch etwas plumper als heute möglich ausfallen. Alles archaischer im Brummen. In kleineren Schnipseln ist das allemal interessant, immerhin handelte es sich bei „Stries“ um Elektronisches aus den Pioniertagen, als die Klänge und Töne im elektronischen Bergwerk noch mühsam geschürft werden mussten. Da darf man schon Respekt vor haben.

Auf der fünfzigminütigen Langstrecke aber war „Stries“ dann in seiner musikalischen Unbeholfenheit doch mehr was für Hartgesottene, die es auch als Grundlagenforschung für das am Freitag startende CTM-Festival abhaken durften.

Am Sonntag dann in der Volksbühne war beim Abschlusstag von Ultraschall zu hören, dass digital doch besser ist, mit Enno Poppes neuer und für neun Synthesizer geschriebenen Komposition „Rundfunk“. Die überzeugte bereits optisch, so wie die MusikerInnen vom Ensemble Mosaik samt Poppe im Halbkreis vor den Keyboards saßen mit ihren ins Rot spielenden Hemden – wie das Treffen eines Kraftwerk-Liebhaberzirkels wirkte das.

Eine schrille Musik mit Schmackes,wie Krautrockals Neue Musik

Und um die Zeit, als elektronische Musik noch neu war im Pop, geht es auch in dem Stück mit den Synthesizer-Sounds aus den Sechzigern und Siebzigern. Klänge aus der analogen Ära, Poppe selbst nennt die Pioniere Tangerine Dream und eben Wendy Carlos als Inspiration für sein Stück, die aber in „Rundfunk“ mit allen Möglichkeiten unserer digitalen Zeit ausgespielt werden. So war das überhaupt erst möglich, wie da bei dem Stück in mehreren Runden Minimal-Meditationen immer wieder mächtig heiß liefen.

Eine schrille Musik mit Schmackes. Krautrock in einer Neue-Musik-Übung.

Dass bei UItraschall auch das klassische Instrumentarium zu hören war, soll schon erwähnt werden. Ein Flügel zum Beispiel, der mal mit dem Hammer traktiert wurde. Man machte das aber ganz behutsam.