Sag mir, wo die Männer sind

Cindy Sheehan wollte ursprünglich nur von George W. Bush wissen, warum ihr Sohn im Irak sterben musste. Mittlerweile ist sie der Katalysator einer neuen Friedensbewegung, die den Präsidenten bis in den Urlaub verfolgt

Cindy Sheehan nervt. Und das will sie auch. Jedenfalls den US-Präsidenten. Das heißt, dieser Tage nervt sie gar nicht selbst. Seit der vergangenen Woche hat sie es ihren MitstreiterInnen überlassen, George W. Bush mit ihrem „Camp Casey“ in Crawford, Texas den Urlaub zu vermiesen. Seit dem 7. August ist Sheehan dort, erinnert in Reden und Pressekonferenzen an ihren am 4. April 2004 als Soldat im Irak getöteten Sohn Casey und fordert den sofortigen Abzug der US-Truppen.

Seit ein paar Tagen ist Sheehan selbst bei ihrer Mutter in Kalifornien, die nach einem Herzinfarkt Betreuung brauchte. Ende dieser Woche wird sie in Texas zurückerwartet. Doch andere sind da, führen die Wache weiter. Am vergangenen Mittwoch campierten an über 1.600 Orten in den USA Menschen gegen den Krieg. Einige sehen in Sheehan bereits eine moderne Rosa Parks, jene schwarze Frau aus Alabama, die 1955 durch ihre Weigerung, die den Schwarzen vorbehaltenen hinteren Plätze im Bus einzunehmen, zum Katalysator der Bürgerrechtsbewegung wurde.

In Crawford versammelt sich, was in der Friedensbewegung Rang und Namen hat. „Camp Casey“, schrieb die Washington Post am vergangenen Sonntag, „bietet der Linken die größte Plattform seit Michael Moores Fahrenheit 9/11.“ Etwa für Joan Baez. Die inzwischen 64-jährige Sängerin und Protestlegende aus der Anti-Vietnamkriegs-Zeit sang dort am Wochenende „Where have all the flowers gone“.

Sheehans Camp ist zum Sommerloch füllenden Symbol einer Auseinandersetzung geworden, die an Schärfe zunimmt. Schon ist für Ende September eine neue große Friedensdemonstration in der US-Hauptstadt angekündigt. Und immer mehr übernehmen Organisationen die Initiative, deren moralische Autorität schier unangreifbar ist: also eben Cindy Sheehans „Gold Star Mothers for Peace“, eine Vereinigung friedensbewegter Mütter gestorbener Soldaten. Irakkriegsveteranen. Angehörige von Soldaten, die gerade jetzt im Irak sind. Dagegen kommt die Rechte nicht an.

Zwar haben sich Fox News, Rush Limbaugh und die gesamte rechte Blogosphere auf Cindy Sheehan eingeschossen, haben versucht, sie mit dem Argument zu diskreditieren, sie ließe sich von Michael Moore und Moveon.org unterstützen und nutze mithin ihr persönliches Schicksal für politische Propaganda. Immerhin fordert Sheehan Bushs Rücktritt, wahlweise ein Amtsenthebungsverfahren wegen der Lügen des Krieges.

Cindy Sheehan ist eine gute Rednerin (Videos im Netz unter: www.truthout.org/cindy.shtml). War sie ursprünglich nur mit dem Wunsch angetreten, Präsident Bush solle sie wenigstens eine Stunde lang anhören und ihr persönlich erklären, für welchen „ehrenwerten Grund“ ihr Sohn im Irak gestorben sei, so genießen Sheehan und die anderen längst das PR-Desaster, das sie Bush beschert haben – und das sich der Präsident durchaus selbst eingebrockt hat. Fünf Wochen Sommerferien – das allein ist für die meisten US-Amerikaner unvorstellbar. Für Bush ist es normal und wohlverdient, liegt doch sein letzter Urlaub, wie Jon Stewards „Daily Show“ verständnisvoll anmerkte, schon vier Monate zurück. Als der Präsident dann noch vor den Kameras die Auffassung vertrat, sein Urlaub sei trotz steigender Todeszahlen im Irak gerechtfertigt, schließlich müsse sein Leben doch auch irgendwie weitergehen, blieben selbst die Comedians sprachlos.

Bush wird sich mit Sheehan nicht treffen, allein schon aus Angst, da könnten noch mehr kommen. Sheehan weiß das und nutzt es aus. Sie und ihre MitstreiterInnen haben bereits angekündigt, mit nach Washington zu ziehen, wenn Bushs Urlaub vorbei ist. Bis dahin sehen sie den Präsidenten nur manchmal von Ferne, wenn er mit dem Mountainbike vorbeikommt, am vergangenen Wochenende etwa auf gemeinsamer Tour mit Lance Armstrong. Hier die Bilder der Mütter und toten Soldaten, da Bush und Armstrong auf dem Fahrrad. Auch das ist ein Bild, wie es Michael Moore nicht besser hätte inszenieren können.

BERND PICKERT