berliner szenen
: Wer zahlt euch eigentlich?

Es ist der letzte Feriensonntag. Wir sitzen beim Frühstück. Das Kind ist verabredet und will vorher Handy spielen. Handyzeit muss ausgehandelt werden, sonst artet das total aus. Ich erinnere das Kind daran, dass auch noch die Korrektur der Deutsch­arbeit ansteht. Ein Wutanfall folgt. „Weißt du, wie lange das dauert? Da brauch ich mindestens eine Stunde, eher länger. Ich mach das am Dienstag, da hab ich ja Zeit vorm Basketballtraining.“ – „Ja, aber da hast du sicher auch noch andere Hausaufgaben“, gebe ich zu bedenken. „Mach es einfach jetzt, dann hast du es hinter dir und noch Zeit für schöne Sachen.“

Türen knallend verlässt das Kind die Küche. Kurz dar­auf kommt er wieder, deutlich ruhiger. Das verheißt nichts Gutes. „Du kriegst für alles Geld, was du tun musst“, sagt das Kind jetzt ganz ruhig. „Das will ich auch. Eine Stunde Hausaufgaben: 12 Euro.“ Kindliche Verzögerungstaktik, wie ich das hasse. „Wieso genau 12 Euro?“, frage ich müde. „Das ist der Mindestlohn, den man braucht, um vernünftig zu leben“, erklärt das Kind. Das weiß es vermutlich von „Galileo“, einer Sendung, die deutlich mehr zu seiner Allgemeinbildung beiträgt als die Schule. Hier hilft nur, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. „Da ich ja für alles Geld kriege, liste ich das heute mal auf. Vielleicht gleicht sich das dann finanziell zwischen dir und mir wieder aus.“ Ich zähle kurz meine sonntäglichen Pflichten auf: Tisch abräumen, Geschirr spülen, Bad putzen, Wäsche machen, Blumen im Treppenhaus gießen.

„Wer zahlt euch denn eigentlich?“, unterbricht mein Mann unser Gespräch. Interessante Frage, spielt aber gerade keine Rolle. Dreißig Minuten später legt das Kind wortlos seine einseitige Korrektur auf den Küchentisch und schnappt sich sein Handy. Unnötig, zu erwähnen, dass ich deutlich länger brauche. Unbezahlt natürlich. Gaby Coldewey