Russisch-türkische Syrien-Politik: Enttäuschung für Erdoğan

Ein türkischer Einmarsch in den Norden Syriens ist nicht mehr möglich. Die Regeln für die künftige Zusammenarbeit diktiert Moskau.

zwei beigefarbene Armee-Fahrzeuge mit US-Flagge

Ami goes home: Fahrzeuge der US-Armee in Manbidsch Foto: dpa

ISTANBUL taz | Als der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu am späten Samstagnachmittag in Moskau den mitgereisten türkischen Journalisten die Ergebnisse seines Gesprächs mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow verkündete, sah er aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Man habe sich darauf verständigt, dass die Armeen der beiden Staaten „auch weiter eng zusammenarbeiten und ihre Aktionen koordinieren“.

Das Ziel der russisch-türkischen Anstrengungen in Syrien soll es sein, „die terroristische Bedrohung auszulöschen“ und dafür zu sorgen, dass bald möglichst viele syrische Flüchtlinge „in ihre Heimat zurückkehren können“.

Was sich nach großer Übereinstimmung anhört, ist eine herbe Enttäuschung für die türkische Delegation. Die türkische Armee, so wurde Çavuşoğlu, dem türkischen Verteidigungsminister Hulusi Akar und dem türkischen Geheimdienstchef Hakan Fidan mitgeteilt, solle sich hüten, in Syrien ohne Zustimmung aus Moskau zu agieren. Der vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan vor einer Woche angekündigte neue Einmarsch in Nordsyrien ist erst einmal vom Tisch.

Die neue Realität wurde der türkischen Führung am Freitag in dem strategisch wichtigen Ort Manbidsch, rund 30 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt, vorgeführt. Manbidsch wurde vor gut drei Jahren von kurdischen YPG-Milizen mit amerikanischer Unterstützung vom IS zurückerobert und wird seitdem, obwohl überwiegend von Arabern bewohnt, von den Kurden kontrolliert. Es bildet einen kurdischen Brückenkopf westlich des Euphrats, als vorgeschobene Position ihres Selbstverwaltungsgebietes „Rojeva“, östlich des Euphrats.

Pufferzone zwischen türkischen Truppen und Manbidsch

Die türkische Führung, allen voran Präsident Erdoğan, wird nicht müde zu betonen, dass die syrischen Kurden im Verbund mit der türkisch-kurdischen PKK eine „terroristische Bedrohung“ für die Türkei seien und die Türkei die YPG von der 500 Kilometer langen syrisch-türkischen Grenze vertreiben werde. Anfangen wollte man in Manbidsch, dem westlichen Vorposten der YPG. Mit den USA war vereinbart, dass türkische Truppen und ihre syrischen Hilfskontingente Manbidsch übernehmen könnten, sobald die rund 200 US-Soldaten sich aus der Stadt zurückgezogen haben.

Karte vom Norden Syriens

Foto: infotext-berlin.de

Am Freitag erlebte die Türkei eine böse Überraschung. Ohne dass die russische Führung Ankara konsultiert hätte, rückten Truppen des Assad-Regimes, unterstützt von Moskau, westlich von Manbidsch vor und bildeten eine Pufferzone zwischen türkischen Truppen und der Stadt. Sobald sich die US-Soldaten zurückgezogen haben, werden Assad-treue Regierungstruppen in Manbidsch einmarschieren. Das, so erklärte der russische Außenminister, soll auch in allen anderen Gebieten die noch von den Kurden und den USA kontrolliert werden, passieren.

Die Kurden haben signalisiert, dass sie damit einverstanden sind. Lieber zurück unter die Herrschaft Assads als einen Krieg mit der türkischen Armee. Noch vor den Türken war am Donnerstag und Freitag eine kurdische Delegation in Moskau, um eine Vereinbarung zu treffen. Dabei soll ihnen signalisiert worden sein, dass Russland sich bei Assad einsetzen werde, dass den Kurden eine gewisse Autonomie in ihren Siedlungsgebieten zugestanden wird.

Mit kurdischer Billigung

Während in Ankara debattiert worden war, wie man das noch von den USA und den Kurden kontrollierte Gebiet östlich des Euphrats künftig eigenen syrischen Verbündeten von der „Freien Syrischen Armee“ zuschanzen könnte, hat Russlands Präsident Wladimir Putin klargemacht, dass er nicht daran denkt, dieses Gebiet Erdoğan zu überlassen.

Sobald die US-Soldaten abgezogen sind, werden syrische Regierungstruppen mit russischer Unterstützung und kurdischer Billigung das Gebiet übernehmen. Bis auf die kleinen Gebiete, die die Türkei westlich des Euphrats kontrolliert, und dem sich daran anschließenden Rebellengebiet von Idlib ist Assad dank Putin dann wieder Herr im Haus.

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