Kein Zutritt mit Handicap

Bremens größte Berufsschule ist nicht barrierefrei. Obwohl das leicht zu ändern wäre, gibt es im Haushalt derzeit kein Geld für den Umbau. Der Landesbehindertenbeauftragte fordert deswegen einen festen Haushaltstitel für barrierefreie Sanierungen

Mit Barrieren: Technisches Bildungszentrum Foto: Michael Bahlo

VonSimone Schnase

Wer das Gebäude der ehemaligen KFZ-Berufsschule des Technischen Bildungszen­trums Mitte (TBZ) an der Weserbahn betreten will, muss Treppensteigen können. Anders erreicht man die Eingangstür nicht. Im Inneren sieht’s nicht besser aus: Die vier Stockwerke sind lediglich über Treppen miteinander verbunden. Obwohl der Bildungsbehörde das Problem bekannt ist und bereits Pläne für den Einbau eines Fahrstuhls vorliegen, geschieht nichts.

Mehrere Hundert Auszubildende absolvieren in dem um 1900 erbauten Gebäude des TBZ, Bremens größter Berufsschule, den theoretischen Teil ihrer Ausbildung: „Das sind Azubis in den gewerblich-technischen Berufen, zum Beispiel im Bereich KFZ-Mecha­tronik oder Karosseriebau“, sagt Schulleiter Jörg Metag. „Und wenn jemand einen gebrochenen Fuß oder einen Kreuzbandriss hat, kommt er nicht in die Schule.“ Azubis, die dauerhaft gehandicapt und auf einen Rollstuhl angewiesen sind, gebe es dort nicht, sagt Metag: „Das liegt am Berufsbild. Aber gäbe es welche, müssten die woanders beschult werden.“

Ein Skandal, findet Peter Rudolph, stellvertretender Landesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) und Mitglied des Berufsbildungsausschusses der Bremer IHK. „Inklusion darf nicht vor Berufsschulen haltmachen“, sagt er und verweist auf das bremische Schulgesetz, nach der alle Schulen im Land den Auftrag haben, sich zu inklusiven Schulen zu entwickeln: „Das gilt auch für berufsbildende Schulen.“

Bremens Landesbehindertenbeauftragter Joachim Steinbrück berichtet von dem Fall eines Auszubildenden, der zur Berufsschule nach Bremen-Nord musste, weil er seine eigentlich zuständige Schule mit seinem Rollstuhl nicht passieren konnte: „Da bekommt jemand mit Rolli eine Ausbildungsstelle und scheitert dann an den Räumlichkeiten – das hat nichts mit gleichberechtigter Teilhabe zu tun“, sagt er. Dort, wo Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen anlägen, werde zwar versucht, vorhandene Barrieren so weit wie möglich zu reduzieren, „aber da, wo keine Modernisierung ansteht, passiert auch nichts, denn prinzipiell fallen alte Gebäude unter Bestandsschutz und müssen nicht umgebaut werden“.

Dabei liegt im Falle des TBZ bereits alles Nötige vor: Die Bildungsbehörde ist informiert, Pläne und Kostenvoranschläge sind fertig. „Geplant ist ein Fahrstuhl außen am Gebäude, die Kosten würden bei ungefähr 320.000 Euro liegen“, sagt Jörg Metag. Die barrierefreie Gestaltung anderer Schulen ist oft weitaus teurer und schwieriger: „Vor allem Schulen aus den 60er-, 70er- und 80er-Jahren sind extrem barriereintensiv“, sagt Steinbrück. „Da mussten im Nachhinein teilweise bis zu elf Fahrstühle eingebaut werden.“

Die Maßnahmen am TBZ sind also vergleichsweise simpel. Dennoch: „Auch kleinere und vermeintlich unkomplizierte Umbauten sind abhängig von Finanzierungen, wenn diese solch eine Größenordnung haben, dass sie mit vorhandenen Haushaltsmitteln nicht umgesetzt werden können. Das ist beim TBZ der Fall“, sagt Vivien Barlen, Sprecherin der Bildungssenatorin. Der Einbau des Fahrstuhls sei im laufenden Haushalt 2018/19 nicht vorgesehen, „soll aber Bestandteil des kommenden Haushaltes 20/21 sein. Sobald die Finanzierung steht, können die Planungen fortgesetzt und die erforderlichen Anträge gestellt werden. Der Fahrstuhl könnte dann bis Ende 2021 eingebaut sein“.

„Wenn jemand einen gebrochenen Fuß oder einen Kreuzbandriss hat, kommt er nicht in die Schule“

Jörg Metag, Schulleiter des TBZ

Dabei, sagt Steinbrück, sollten eigentlich alle öffentlichen Gebäude in Bremen barrierefrei sein. Das sieht schon das 2003 erlassene bremische Behindertengleichstellungsgesetz vor. Und laut dem neuen, erst im Dezember verabschiedeten Gleichstellungsgesetz, gilt das Vorenthalten von Vorkehrungen wie beispielsweise einer Rollstuhlrampe als Benachteiligung. „Festgesetzt wurde auch, dass bis zum Jahr 2023 eine Bestandsaufnahme über die Barrierefreiheit in allen öffentlichen Gebäuden und Konzepte für Umbaumaßnahmen vorliegen müssen. Das ist viel zu spät“, sagt Steinbrück.

Das Kernproblem ist für ihn, dass es keinen festen Haushaltstitel gibt: „Für die energetische Sanierung von Gebäuden hat Bremen eine bestimmte Summe Geld zur Verfügung gestellt – für die Reduzierung oder Beseitigung von Barrieren aber leider nicht.“ Vor allem in Hinblick auf die bessere Haushaltslage aufgrund der Neuordnung der Länderfinanzen müsse das möglich sein.

„Es ist unser Ziel, die Barrierefreiheit in allen Schulen Bremens sukzessive umzusetzen“, sagt Barlen. Die Frage, in wie vielen Bremer Schulen diese Umsetzung noch aussteht, beantwortet die Bildungsbehörde nicht.