Fernwärme erhitzt die Gemüter

Der Rückkauf des Fernwärmenetzes verzögert sich. Umweltsenator Jens Kerstan findet, Vattenfall sei Schuld. Die Opposition sieht den Fehler bei ihm

Macht viel Mühe: Arbeiter reparieren eine Fernwärmeleitung Foto: Markus Brandt/dpa

Von Marthe Ruddat

Die für Ende Januar geplante Übernahme des Fernwärmenetzes durch die Stadt Hamburg verzögert sich um mehrere Monate. Das sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) am Mittwoch dem NDR. Grund sei eine Prüfung der EU-Kommission. Dabei geht es um möglicherweise unrechtmäßige staatliche Beihilfe, vereinfacht gesagt: die Rechtmäßigkeit des Kaufpreises.

Doch wie kommt die EU-Kommission ins Spiel? Kerstan sagt: durch Vattenfall. Und er kritisiert: Es sei eine „merkwürdige Idee“, sich an die EU zu wenden und die Rechtmäßigkeit zu hinterfragen, nachdem bereits ein Vertrag geschlossen worden sei.

Der Energieversorger Vattenfall hingegen verweist auf eine Sitzung des Energienetzbeirates im August. Da sei es der Senat gewesen, der erstmals offene beihilferechtliche Fragen angesprochen hätte. Vattenfall hätte dann im Nachhinein eine Klärung befürwortet, sagt eine Unternehmenssprecherin der taz. Die Prüfung schaffe für alle Beteiligten Rechtssicherheit.

In der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom Oktober 2018 zur Umsetzung des Bürgerentscheids heißt es, dass die prüfenden Anwälte zwar keine Bedenken wegen beihilferechtlicher Fragen hätten, eine informelle Abklärung durch die EU-Kommission aber empfehlen würden. „Dieser Empfehlung wird der Senat folgen“, steht dort.

Ein Volksentscheid hatte im September 2013 den Rückkauf der drei Energieversorgungsnetze zum Thema. Die knappe Mehrheit von 50,9 Prozent der Abstimmenden votierte für die Rekommunalisierung.

Strom- und Gasnetz wurden bereits 2015 und 2017 für 610 und 275 Millionen Euro von der Stadt zurückgekauft.

Beim Fernwärmenetz erwarb Hamburg zunächst für 350 Millionen Euro einen Anteil von 25,1 Prozent an der Fernwärme-Betriebsgesellschaft.

Mitte November 2018 beschloss die Hamburgische Bürgerschaft den kompletten Rückkauf für 950 Millionen Euro. Ein Kauf- und Übertragungsvertrag muss noch abgeschlossen werden.

Auf erneute Nachfrage zu Kerstans Kritik an Vattenfall gibt sich die Umweltbehörde am Mittwoch zurückhaltender: „Wir sind immer davon ausgegangen, dass eine Beihilfeproblematik nicht besteht“, sagt ein Sprecher. Aber er betont erneut: „Vattenfall wollte diesen Punkt formal abgeprüft sehen.“ Das geschehe jetzt und ändere nichts an den Zeitplänen für die Umsetzung der Wärmewende und den Ersatz des Kraftwerks Wedel.

Aus der zuständigen Finanzbehörde heißt es, weil die Kommission den Fall nun formell und damit ausführlicher prüfen will, verzögere sich die Betriebsübernahme. Eine Entscheidung sei für März anvisiert, so ein Sprecher der Finanzbehörde zur taz. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) meint indes: Eine Betriebsübernahme einige Wochen früher oder später mache am Ende keinen Unterschied: „Hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.“

Ganz anders bewertet das die Opposition. Die Verzögerungen seien ein „Scheitern mit Ansage“, findet der energiepolitische Sprecher der CDU-Fraktion Stephan Grimm. Sowohl seine Partei als auch Vattenfall hätten auf einen unhaltbaren Zeitplan und die Beihilfe-Problematik hingewiesen. „Kerstan will in diesem Fall nur von seinem eigenen Versagen ablenken“, sagt er. Das findet auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Kruse. Es sei immer klar gewesen, dass die EU-Kommission den Rückkauf des Fernwärmenetzes intensiv prüfen werde. Der Umweltsenator hätte das bereits im Sommer 2018 anstoßen müssen.