Die 1.700-Euro-Frage drückt aufs Gemüt

Warnstreik der Geldboten: Einkommen der Dienstleister werden zum Problem, wenn die Miete hoch, das Rentenniveau klein und eine Familie zu versorgen ist

Lohnangleichung ist eine Hauptforderung der Geldboten und Geldtransportfahrer

Aus Berlin Barbara Dribbusch

2.200 Euro brutto, das sind 1.700 Euro netto, so viel bringt Jürgen M. nach Hause. Seine Ehefrau arbeitet Teilzeit. Die vier Kinder sind aus dem Haus. „Es war schon manchmal knapp“, sagt der 62-Jährige aus dem brandenburgischen Niederlehme bei Königs-Wusterhausen.

Er repariert Geldautomaten und transportiert Geldtaschen von Supermärkten in Bargelddepots. Ein ganz normaler Job in der Dienstleistung – gleichwohl kann das Einkommen zum Problem werden, wenn man Familie hat.

In einer Gelbweste von Verdi stand M. am Donnerstag mit über 100 trillernden und tutenden Kolleginnen und Kollegen vor der Geschäftsstelle der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW) in Berlin-Mitte. Drinnen lief die fünfte Tarifrunde für die 12.000 Beschäftigten, bis zu Redaktionsschluss kam es zu keiner Einigung.

Beschäftigte der Branche, darunter viele Geldboten und Geldtransportfahrer, waren am Mittwoch und am Donnerstag für mehr Lohn in den Warnstreik getreten. An den beiden Tagen hätten sich bundesweit jeweils 3.000 Leute an den Warnstreiks beteiligt, sagte Verdi-Sprecher Richard Rother.

Verdi fordert eine Erhöhung des Stundenlohns um 1,50 Euro beziehungsweise eine Gehaltserhöhung um 250 Euro pro Monat sowie die Angleichung der Gehälter in den neuen Bundesländern an den Westen.

Sein Verband werde diesen „Wunschvorstellungen“ nicht nachkommen, erklärte BDGW-Hauptgeschäftsführer Harald Olschok in einer Mitteilung. Vor allem kleinere Betriebe könnten solche Entgeltsteigerungen „nicht bezahlen“, sagte Verbandssprecherin Silke Wollmann der taz. Trotz des Warnstreiks soll es laut BDGW aber nicht zu größerem Bargeldmangel an Geldautomaten gekommen sein. „Ich habe von keinen Totalausfällen gehört“, sagte Wollmann.

Die Arbeitgeber bieten eine Erhöhung des Stundenlohns rückwirkend zum 1. Januar um 40 Cent an und nochmals zum 1. Januar 2020 um 50 beziehungsweise 40 Cent, je nach Region. Solche Vorschläge seien „nicht kompromissfähig“, sagte Verdi-Verhandlungsführer Arno Peukes. Die Gehälter für die Geldzähler und Geldtransportfahrer, die bewaffnet sind und meist einen Lkw-Führerschein haben, liegen laut Verdi im Osten zwischen 1.800 und 2.400 Euro und im Westen zwischen 2.200 und 2.900 Euro brutto. Die Brutto-Stundenlöhne ohne Nachtzuschläge schwanken für die Geldtransportfahrer zwischen rund 13 Euro in den neuen Bundesländern und Berlin sowie 16 Euro in Nordrhein-Westfalen.

„Ein großes Problem sind die steigenden Mieten, aber auch viele Rentenpunkte kommen bei dem Lohn nicht zusammen“, sagt Dieter G., 60, Geldtransportfahrer und einer der Demonstranten am Donnerstag. G. wohnt in Berlin-Lichtenberg.

Die Geldtransportfahrer, gerade in den neuen Bundesländern und in Berlin, stören sich an den regionalen Unterschieden in der Branche. Die Lohnangleichung ist eine Hauptforderung. In Bayern liegt der Grundstundenlohn bei 15,33 Euro brutto, in Berlin bei 12,64. Robert Knebel, 59, ist Betriebsratsvorsitzender beim Sicherheitstransportunternehmen Ziemann. „In Berlin sind die Lebenshaltungskosten mindestens genauso hoch wie anderswo“, sagt Knebel. „Und in Hof in Bayern sind die Entgelte auch nicht niedriger, nur weil die Kosten geringer sind als in München.“

Die Löhne der Geldboten liegen allerdings über dem statistischen Niedriglohn. Dieser beträgt zwei Drittel des mittleren Entgeltes. Laut Zahlen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforderung (DIW), allerdings von 2016, betrug die Niedriglohngrenze damals 10 Euro Brutto.