Ressource Wasser in Israel: Aus zwei Litern mach einen

Israel bekämpft seine Trinkwassernot mit hochmodernen Entsalzungsanlagen. Doch lohnt sich der technische Aufwand?

Technikchef Boris Libermann füllt Wasser aus der Entsalzungsanlage ab

Ohne Salz, frisch und lecker – Technikchef Libermann glaubt an sein Wasser Foto: Jörg Wimalasena

GAN RAVEH taz | Es ist ist laut, aber leer in der Sorek Desalination Plant. „Nur zwei Mitarbeiter können die gesamte Einrichtung überwachen“, sagt Boris Libermann, Technikchef in Israels größter Entsalzungsanlage für Meerwasser. Unter dem wirbelnden Getöse der Turbinen erklärt der kleingewachsene Ingenieur mit dem weißen Bauhelm die Technik, mit der der kleine Wüstenstaat den chronischen Wassermangel bekämpfen will.

1,3 Kilometer vor der Küste saugt die Anlage durch riesige Rohre Salzwasser aus dem Mittelmeer und leitet es in Dutzende Bassins. Nach einer groben Filterung wird dieses dann mit 75 Bar horizontal durch eine zylindrische Membran gepresst, das Salz bleibt dabei hängen. Der physikalische Vorgang heißt Umkehrosmose. In einem weiteren Schritt wird das Halbmetall Bor entfernt. 624.000 Kubikmeter Wasser können hier pro Tag gewonnen werden. „Ganz ohne den Einsatz von Chemikalien“, wie Libermann stolz sagt.

70 Prozent des Trinkwassers in Israel stammt bereits aus Entsalzungsanlagen – allein Sorek versorgt 1,5 Millionen Menschen. Die Technik ist wegen des Klimawandels überlebenswichtig geworden. In Israel regnet es seit Jahren immer seltener und ungleichmäßiger. Der See Genezareth im Norden – der einzige natürliche Süßwassersee des Landes – hat nach Jahrzehnten des Abpumpens einen historisch niedrigen Wasserstand erreicht. Die israelische Zeitung Haaretz schrieb in Anspielung auf einen biblischen Mythos: „Es ist gar nicht mehr so schwer, über den See Genezareth zu laufen.“

Seit Beginn des neuen Jahrtausends setzt das Land deshalb verstärkt auf entsalztes Meerwasser. Fünf große Anlagen verteilen sich über die Mittelmeerküste. Israel exportiert die Technik auch erfolgreich in die ganze Welt. Allein Marktführer IDE Technologies hat Anlagen in mehr als 40 Ländern gebaut. Die globale Erwärmung steigert die Nachfrage.

„Wir töten hier nichts“

Dennoch ist die Methode umstritten. Beim Ansaugen des Meerwassers landen beispielsweise auch Meerestiere in den Bassins. Laut Ingenieur Libermann ist das aber kein Problem – zumindest für das Werk in Sorek. Sämtliche aufgesaugten Lebewesen würden wieder zurück ins Meer geleitet. „Wir töten hier nichts“, sagt er und grinst. Und tatsächlich schwimmen in dem Becken hinter Libermanns Rücken quicklebendige Fische.

Aus zwei Litern Salzwasser lässt sich aber auch im effizient arbeitenden Sorek nur ein Liter Trinkwasser gewinnen. Die stark versalzene und durch den Vorgang leicht erwärmte Restflüssigkeit wird ins Meer geleitet. Libermann sagt, seinen Erkenntnissen nach habe das keinen negativen Effekt auf die Umwelt. Sowohl das Unternehmen als auch die Behörden würden das ständig überprüfen.

Das entsalzte Wasser wird gut dreimal so teuer verkauft wie natürliches Süßwasser

Die demonstrative Umweltfreundlichkeit hat IDE sich auf die Fahnen geschrieben. Sorek, das 15 Kilometer südlich von Tel Aviv liegt, ist das Vorzeigeprojekt des privatisierten ehemaligen Staatskonzerns. Und deshalb ausgestattet mit einem Auditorium und vielen bunten Hinweisschildern.

Am Ende des Entsalzungsprozesses produziert die Hightech-Anlage allerdings destilliertes Wasser ohne natürliche Mineralien. Der dauerhafte Konsum wäre für Menschen gesundheitsschädigend. Deshalb müssen dem Wasser Mineralien zugefügt werden. Auch hierfür will IDE aber eine umweltschonende Lösung gefunden haben. Das Wasser wird durch Kalkstein geleitet und so „natürlich“ mineralisiert, wie Libermann sagt.

Umkehrosmose ist teuer

Doch das modifizierte Wasser hat seinen Preis. Zwischen 44 und 51 Eurocent berechnet IDE für einen Kubikmeter. Natürliches Oberflächen- oder Grundwasser kostet dagegen nur 18 bis 26 Cent – aber davon gibt es eben nicht mehr viel. Der Abnahmepreis ist für weitere zwanzig Jahre festgelegt. Einsparungen durch technische Fortschritte dürften also nicht zu günstigeren Preisen führen.

Ein Grund für den hohen Preis ist der Energieaufwand der Umkehrosmose. Für die Herstellung von 1.000 Litern (ein Kubikmeter) Wasser werden in Sorek 3,5 Kilowattstunden Strom verbraucht. Das ist so viel, wie ein Kühlschrank in einer Woche benötigt. Und die Energie in Israel kommt überwiegend aus fossilen Brennstoffen wie Erdgas und Diesel – weniger als 3 Prozent stammen aus erneuerbaren Energien.

Die Trinkwasserherstellung führt also im Nebeneffekt zu einem hohen CO2-Ausstoß. Das Kraftwerk in Sorek verfügt über ein eigenes Erdgaskraftwerk, um den Energiehunger zu stillen.Seinen eigenen Durst stillt Boris Libermann am Wasserspender kurz vor Ende des Rundgangs – mit leicht eingeübt wirkendem glückseligem Gesichtsausdruck. Das Wasser schmeckt zwar ein wenig unnatürlich, ist aber genießbar.

Doch nicht nur dem Gaumen soll das entsalzte Meerwasser schmeicheln. Die israelische Regierung will die Effekte des Klimawandels sogar teilweise rückgängig machen und ab 2025 den austrocknenden See Genezareth wieder auffüllen. Damit wird der Spaziergang auf dem Wasser künftig zumindest für Normalsterbliche wieder schwerer.

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