SPD kippt Dutschke vom Schild

In letzter Minute stimmt SPD gegen Dutschke-Straße. Grund: zu wenig Beteiligung der Bürger. PDS und Grüne verlieren Abstimmung. Grund: zu wenig Abgeordnete anwesend

Es wäre einfach zu schön gewesen, um wahr zu sein. Nur acht Monate nachdem die taz den Vorschlag eingebracht hatte, die Kochstraße in Kreuzberg zu Ehren von Rudi Dutschke umzubenennen, sollte der Vorschlag auf der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg gestern Abend angenommen werden. Und es sah ja tatsächlich auch gut aus. Der Kulturausschuss hatte grünes Licht gegeben, Proteste von AnwohnerInnen blieben aus und ganz siegesgewiss präsentierte sich kurz zuvor der BVV-Vorsteher Riza Baran (Grüne): der Antrag sei „zu 90 Prozent“ durch.

Der befürchtete Dämpfer kam dann am Dienstagabend im Haushaltsausschuss. Dort ging es um die kleinteilige Frage, wer den AnwohnerInnen nach der Umbenennung die Kosten für Änderungen auf Briefbögen und Visitenkarten erstatten soll. Da aber keiner der Anwesenden beantworten konnte, um wie viele Betroffene es sich überhaupt handeln würde, stimmte die SPD kurzerhand zusammen mit CDU und FDP gegen die Umbenennung.

Zwar verfügen Grüne und PDS im Bezirksparlament zusammen über mehr Stimmen. Doch ausgerechnet auf dieser Sitzung fehlten einige dunkelrote und grüne Abgeordnete, die Dutschke-GegnerInnen hingegen waren vollzählig. Die Beschlussempfehlung an die BVV lautete daraufhin: Dutschke-Straße ablehnen.

Bis vor kurzem hatte sich die SPD im Bezirk grundsätzlich für die Umbenennung ausgesprochen. Aber nur mit einer angemessenen Bürgerbeteiligung, wie ihr BVV-Fraktionsvorsitzender Andy Hehmke gestern betonte. Zwar gab es eine öffentliche Anhörung mit Experten im BVV-Saal. Dort waren aber außer den Politikern kaum BürgerInnen gekommen. „Es wurde zu kurzfristig geladen“, sagt Hehmke. Die Veranstaltung habe er daher als „Witz“ empfunden.

Die BVV-Sitzung gestern Abend, deren Ergebnis bei Redaktionsschluss noch nicht vorlag, dürfte also noch einmal spannend gewesen sein. Die Grünen mussten bereits vor der Sitzung zugeben, dass mindestens zwei ihrer Abgeordneten fehlen, die BVV-Mehrheit mit der PDS um eine Stimme verfehlt werde. Sie konnten nur noch hofften, dass die Gegenseite auch nicht komplett ist.

Aber selbst einen Mehrheitsbeschluss für Dutschke will die SPD nicht akzeptieren. Hehmke kündigte bereits an, dass die SPD das Ergebnis anfechten werde. Er glaubt, dass dann nämlich lediglich eine Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses abgelehnt würde, die Umbenennung aber nicht beschlossen sei. Der Antrag werde dann dennoch vom Tisch sein, so Hehmke.

Als völligen Humbug bezeichneten Grüne und PDS diese Auslegung. Der Kampf um die Straße dürfte also noch eine Weile weitergehen. FELIX LEE