die taz vor 15 jahren: saddam hussein und die kuwait-invasion
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Ein dreifach Hoch auf Saddam Hussein! Je länger ich mir das Treiben dieses Burschen ansehe, um so besser gefällt er mir. Nicht nur, daß er die Medien über das Sommerloch gerettet und sogar das Ungeheuer von Loch Ness arbeitslos gemacht hat, er hat in nur drei Wochen alle politischen Koordinaten durcheinandergebracht und die völlige Wertlosigkeit aller politischen Theorien bewiesen. Wenn das kein bleibendes Verdienst ist! Dabei hat er Tugenden demonstriert, die man in dieser Häufung bei keinem anderen Politiker findet. Der „Dieb von Bagdad“, der „Hitler aus dem Zweistromland“, wie er von seinen Gegnern leichtfertig beschimpft wird, ist ein ehrlicher, aufrichtiger Mann. Er hat seine Absicht, Kuwait zu übernehmen, klar und unmißverständlich angekündigt. Daß er nicht ernstgenommen wurde, kann man ihm nicht anlasten. Er hat dann mit einem Federstrich den Krieg mit dem Erzfeind Iran beendet, seine Armee auf die Positionen von 1980 zurückgepfiffen und alle Forderungen aus Teheran akzeptiert, derentwegen er den Krieg vom Zaun gebrochen hatte. Wer hätte ihm soviel Pragmatismus zugetraut? (…)

Eigentlich wollte Saddam Hussein nur seine Schulden in Kuwait, rund zwanzig Milliarden Dollar, durch Übernahme der Bank loswerden. Erreicht hat er weit mehr. Das Palästinenser-Problem steht nicht mehr im Mittelpunkt des Nahostkonflikts, fortan wird auch niemand mehr die Behauptung wagen, die Pazifizierung der Region hänge von der Lösung der Palästina-Frage ab. Auch für diese Klarstellung müßte man dem großen Iraki, der seine Nachrichtensprecher immer von „Gott und Saddam Hussein“ sprechen läßt, dankbar sein. Und vielleicht werden wir alle bald das totale Happy-End aller Probleme erleben. Der Lubavicher Rebbe, Menachem Schneerson, erklärte von seinem New Yorker Wohnsitz aus, es gebe überhaupt keinen Grund zur Sorge. Die Krise am Golf würde die fällige Ankunft des Messias nur beschleunigen.

Henryk M. Broder, 25. 8. 1990