Göttinger Polizei sammelt weiter

Datensammlung zu mutmaßlichen linken Straftätern rechtswidrig. Neue Datei schon angelegt

In diesem Frühjahr räumte die Polizei ein, dass die Akten nie hätten existieren dürfen

Von Reimar Paul

Mehrere Jahre lang und mindestens bis 2015 standen fünf prall gefüllte Ordner im Staatsschutzkommissariat der Göttinger Polizeiinspektion. Sie enthielten die Daten von mehreren hundert Personen, die von den Beamten als Linke eingestuft wurden: neben Namen und Fotos auch Wohnanschrift, Religionszugehörigkeit, Familienstand, Social-Media-Profile. Die Ordner waren mit „Limo“ beschriftet, ein Polizeibegriff für „Straftäter, politisch links orientiert“.

24 Betroffene klagten gegen die Datensammlung. In diesem Frühjahr räumte die Polizei gegenüber dem Göttinger Verwaltungsgericht ein, dass diese Akten nie hätten existieren dürfen – allerdings aus rein formellen Gründen. Denn für die „Limo“-Ordner habe die erforderliche Dateibeschreibung gefehlt. Hätte es dieses Formular gegeben, wäre gegen die Sammlung nichts einzuwenden gewesen, so die Polizei.

Jetzt hat die Niedersächsische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Barbara Thiel, die Prüfung des Vorgangs abgeschlossen. Auch sie kommt zu dem Schluss, dass die Datensammlung rechtswidrig war. In einem Schreiben an den Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam führt Thiel aus, dass die gesammelten Daten selbst zwar nicht mehr überprüft werden könnten: „Nach meinen Feststellungen wurden die fünf Aktenordner Mitte 2016 physikalisch vernichtet und damit alle enthaltenen personenbezogenen Daten gelöscht.“

Festzuhalten bleibe allerdings, „dass die Polizeidirektion Göttingen keine Dateibeschreibung für die Datensammlung angefertigt hat“. Nach dem Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist für jede polizeiliche Verarbeitung personenbezogener Daten eine Dateibeschreibung zu fertigen. Hierbei, so Thiel, „spielt es auch keine Rolle, ob die personenbezogenen Daten per E-Mail bzw. an einer Magnetstellwand/Pinnwand oder in Form von Karteikarten verarbeitet worden sind“.

Mit diesem Hinweis stellt sich Thiel gegen die Rechtsauffassung der Polizei. Diese vertritt Anwalt Adam zufolge in den anhängigen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch immer die Auffassung, weder für die Mails mit personenbezogenen Daten noch für eine Pinnwand mit Fotos eine Dateibeschreibung zu benötigen. „Dass sich die Polizeidirektion nun sogar von der Landesdatenschutzbeauftragten belehren lassen muss, zeugt von einem mangelnden Verständnis für den Datenschutz“, sagte Adam.

Unterdessen geht die Datensammlung des Staatsschutzes in Göttingen offenbar weiter. Vermutlich sei 2017 eine neue Datei mit dem Namen „PMK links“ ins Leben gerufen worden, erklärte der Anwalt. Die dafür erforderliche Dateibeschreibung sei in einem laufenden Gerichtsverfahren trotz entsprechender Anforderung bislang nicht übermittelt worden. „Ziel und Umfang der Datei sind bislang unklar“, sagte Adam.