HSV und die AfD: Intolerable Intoleranz

Beim HSV sollen bald Mitglieder ausgeschlossen werden können, die sich gegen die freiheitliche Werteordnung des Klubs positionieren.

Eine Stadiontribüne voller HSV-Fans, die große Plakate gespannt haben, auf denen steht: Hate Racism

Klares Zeichen: Die HSV-Fans bekennen sich im Stadion gegen Rassismus Foto: dpa

HAMBURG taz | Für Peter Gottschalk wird der 19. Januar 2019 ein besonderer Tag. Der 77-Jährige ist seit 1954 Mitglied beim Hamburger Sport-Verein und hat schon so einige turbulente Jahreshauptversammlungen erlebt. Diesmal steht er beim großen Vereinstreffen ausnahmsweise selbst mit im Fokus. Es geht um einen Antrag zur Änderung der Vereinssatzung durch das Präsidium, an dem Gottschalk tatkräftig mitgewirkt hat.

Den Anstoß für diese Idee hat er bei der vergangenen Mitgliederversammlung selbst gegeben, als er einen Antrag auf Ausschluss aller Mitglieder der AfD aus dem HSV durchsetzen wollte, diesen aber auf Anraten der Gremien wieder zurückzog. Einer rechtspopulistischen Partei, der Diskriminierung und Ausgrenzung vorgeworfen wird, mit Ausgrenzung zu entgegnen, war den Beteiligten zu heikel.

Kay Gottschalk, nicht verwandt oder verschwägert mit Peter Gottschalk, wäre als stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei von einem solchen Ausschluss betroffen gewesen. Er verglich das Vorhaben damals mit der NS-Zeit zwischen 1933 und 1945.

Ein Eigentor für Peter Gottschalk, der die AfD damit unfreiwillig in die Opferrolle befördert und Fragen über das Demokratieverständnis in Sportvereinen aufgeworfen hat. Diesmal jedoch will er überlegter vorgehen. Ziel des Antrages ist ein klareres Bekenntnis gegen Diskriminierung und Rassismus.

Drei Viertel für den Antrag

„Wehret den Anfängen reicht nun nicht mehr, weil die Anfänge schon lange vorbei sind. Der Radikalismus ist schon mitten unter uns“, glaubt Gottschalk, der sich „Wortführern von verbaler Gewalt und Hasstiraden“ entgegenstellen will. Als Sohn einer Halbjüdin und eines KZ-Häftlings hat er am eigenen Leib erfahren müssen, was es heißt, Opfer von Verfolgung und Denunziation zu sein.

„Mir geht es nicht um eine Ausgrenzung, sondern um den Erhalt und die Förderung unserer freiheitlich ­demokratischen Grund- und Werteordnung“, erklärt er. Im neuen Satzungstext heißt es dazu, dass Mitglieder, die eine der Satzung widersprechende „Gesinnung“ offenbaren, aus dem Verein ausgeschlossen werden können. Ein eigens hierfür berufener Ausschuss hätte dank der möglichen Anpassung eine breitere Grundlage zur Sanktionierung von Fehlverhalten.

Die Gremien des HSV stehen geschlossen hinter dieser Idee. Drei Viertel der Stimmen der anwesenden Mitglieder sind für die Annahme des Antrages notwendig. „Wir spüren, dass die meisten unserer Mitglieder unsere Werte und Normen leben und die Aktionen und Projekte, die wir für Vielfalt, Miteinander und Toleranz im HSV durchführen, unterstützen. Daher sind wir überzeugt, dass der Antrag eine breite Zustimmung in der Mitgliedschaft erhält“, sagt Vizepräsident Moritz Schaefer.

HSV-Mitglied Peter Gottschalk

„Wer den Holocaust leugnet, wie das viele in der AfD tun, []den Rassismus und Faschismus propagiert, ist bei uns nicht willkommen“

Chancen auf ein Ausschlussverfahren

Unterstützung gibt es auch vom „Netzwerk Erinnerungsarbeit“, ein Zusammenschluss von Fans und Mitarbeitern, der sich mit der Aufarbeitung des Hamburger Fußballs während des Nationalsozialismus beschäftigt. In den letzten zwei, drei Jahrzehnten ist viel passiert beim Hamburger SV, um rechtsradikales Gedankengut aus dem Verein und dem Fußballstadion zu drängen, nachdem sich insbesondere in den achtziger Jahren Hooligan-Gruppierungen wie der Fanklub „Die Löwen“ mit Nazi-Parolen im alten Volksparkstadion breitgemacht hatten.

Diese dunklen Zeiten gehören in Hamburg längst der Vergangenheit an. Allerdings bietet die jüngste politische Entwicklung in ganz Europa mit dem Aufstieg rechter Parteien Anlass zur Sorge. Fußballvereine können und sollen dank ihrer großen Popularität in allen Bevölkerungsschichten mit einer klaren Positionierung einen gewichtigen Beitrag im politischen Diskurs leisten.

„Wer den Holocaust leugnet, wie viele in der AfD, Andersdenkenden und Andersgläubigen Gewalt androht, den Rassismus und Faschismus propagiert, ist bei uns nicht willkommen“, stellt Peter Gottschalk klar. Bekommt der Antrag zur Änderung der Vereinssatzung die nötige Mehrheit, will er sich erneut mit seinem Intimfeind Kay Gottschalk anlegen. Die Chancen auf ein Ausschlussverfahren stünden danach besser.

Vorausgesetzt natürlich, dass man ihm Fehlverhalten nachweisen kann. Peter Gottschalk ist davon schon lange überzeugt. Zwei Mal sei sein Namensvetter schon wegen Volksverhetzung angezeigt worden. Schriftliche Nachfragen dazu ließ Kay Gottschalk unbeantwortet. Der Streit geht auf jeden Fall in die Verlängerung.

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