Zoff um Kleiderordnung in Berliner VHS: Zu angezogen für den Deutschtest

Islamisch bekleideten Frauen wurde in einer Berliner Volkshochschule die Prüfungsteilnahme verweigert. Die Begründung: mögliche Schummelei.

Auf einem Tisch stehen eine Thermoskanne und ein Mahrweg-Kaffeebecher. Unscharf sind im Hintergrund sitzende Menschen zu erkennen

TeilnehmerInnen eines Deutschkurses in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Die Flüchtlingsorganisation Moabit Hilft erhebt schwere Vorwürfe gegen die Volkshochschule des Bezirks Tempelhof-Schöneberg. In einem am Ende vergangener Woche auf der Facebook-Seite der Organisation veröffentlichten Schreiben heißt es, mehrere Frauen seien von der Teilnahme an einer Deutschprüfung in der Volkshochschule ausgeschlossen worden, da sie nicht „Prüfungsregularien“ entsprechend bekleidet gewesen seien.

Die betroffenen Frauen trugen demnach sogenannte Abayas, knöchellange arabische Gewänder. Der Vorfall habe sich bereits am vorvergangenen Samstag im VHS-Kolleg Schöneberg bei einer Deutschprüfung für Zuwanderer zugetragen.

Mindestens drei Frauen hätten an der Prüfung nicht teilnehmen dürfen, weil sie ihre Abayas nicht ablegen wollten, berichtet die Freundin einer Betroffenen der taz. Alle Frauen hätten auch Kopftücher getragen, „aber die waren nicht das Problem“. Stefanie Russ fürchtet, dass die Ausgeschlossenen nun wegen der nicht absolvierten Prüfung Probleme mit dem Jobcenter bekommen könnten, das die Sprachkurse und die Prüfungsgebühren für Zuwanderer bezahlt.

Die Prüfer, „ein Mann und drei Frauen“, seien nicht die Lehrkräfte der Betroffenen gewesen. Ihre LehrerInnen hätten den Frauen zuvor gesagt, die Abaya sei kein Problem. Moabit Hilft geht von bis zu sieben betroffenen Deutschschülerinnen aus.

„Verstoß gegen die Religionsfreiheit“

„Es handelt sich hier ganz klar um eine Diskriminierung“, stellt Moabit Hilft in dem auf Facebook veröffentlichten Schreiben fest, das an die bezirkliche Integrationsbeauftragte sowie den Integrationsbeauftragten des Landes und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gerichtet ist. Die an die Frauen gestellte Forderung verstoße gegen die Religionsfreiheit.

Unter Hidschab wird hier meist ein Kopftuch verstanden. Das arabische Wort bezeichnet aber alle Kleidungsstücke, die der Verhüllung nach islamischen Regeln dienen.

Die Abaya ist ein langes Kleid, oft von arabischen Frauen getragen, das vorne geschlossen ist. Sie bedeckt nicht Haare oder Gesicht.

Die Burka wird vor allem in Afghanistan und teils in Pakistan getragen. Sie verhüllt Körper, Gesicht und Haar.

Tschador oder Carsaf sind bodenlange Gewänder, die in der Türkei und im Iran getragen werden. Sie bedecken auch die Haare und werden vorne geschlossen oder zusammengehalten. (akw)

Zudem sei sie „übergriffig“, denn viele muslimische Frauen trügen unter der Abaya nur dünne Hauskleidung, die nicht den islamischen Kleidervorschriften entspreche, und wollten das verhüllende Überkleid deshalb nicht in der Öffentlichkeit ablegen.

Die zuständige Bezirksstadträtin für Bildung, Jutta Kaddatz (CDU), bestätigt den Vorfall, sieht darin aber „keinen Vorfall, sondern einen normalen Umgang miteinander“, wie sie der taz am Montag erklärte.

Laut Aussage der beteiligten PrüferInnen habe es sich nicht um „traditionelle muslimische Kleidungsstücke“, sondern um „normale Jacken und Mäntel“ gehandelt, heißt es in einer schriftlichen Antwort des Bezirksamts auf eine entsprechende taz-Anfrage.

„Häufung von Täuschungsversuchen“

Die Frauen seien aufgefordert worden, diese abzulegen. Dies sei durch die Prüfungsordnung gedeckt, die nach einer „Häufung von Täuschungsversuchen“ entsprechend geändert worden sei. Demnach seien „Jacken und Taschen außerhalb des Prüfungsraums aufzubewahren“.

Man sehe „keinen Grund, von dieser Praxis abzurücken“, werde aber künftig besser Sorge dafür tragen, dass den Prüfungsteilnehmerinnen diese Vorschriften bekannt seien, so Kaddatz. Sie geht davon aus, dass die vorletzte Woche ausgeschlossenen Frauen die Prüfung „selbstverständlich wiederholen“ dürften.

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