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Rosige Zukunft für Basteltanten

Kita-Erzieher ist ein schöner Beruf, dem aber Anerkennung fehlt. In ganz Norddeutschland fehlen Fachkräfte. Mit neuen Ideen wie Teilzeit-Ausbildung und Schulgeld-Abschaffung wollen Träger und Politik dem Mangel entgegentreten und den Beruf attraktiver machen

Finden sich keine Fachkräfte, müssen halt die Politiker Kinder hüten: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat beim Vorlesetag schon mal geübt Foto: Frank Molter/dpa

Von Birk Grüling

Der Norden sucht ErzieherInnen. In Niedersachsen gibt es derzeit 1.500 unbesetzte Kita-Stellen. Ihre Zahl könnte durch die Beitragsbefreiung für den Kindergartenplatz noch deutlich steigen. Ähnliche Zahlen melden auch Bremen und Schleswig-Holstein. Und Hamburg kündigte erst im Oktober an, 9.000 neue Betreuungsplätze für Kinder zwischen null und sechs Jahren zu schaffen, allein dafür werden 3.000 neue Pädagogen gebraucht.

Die Folgen spüren Eltern fast täglich: Frauen, die sich schon in der Schwangerschaft um einen Kita-Platz bemühen, gestrichene Nachmittagsbetreuung und Notdienste durch Mütter und Väter, Erzieher, die zeitweise für 25 Kinder gleichzeitig zuständig sind.

Im Umkehrschluss bedeutet diese Notlage rosige Aussichten für angehende Erzieher. Die Arbeitslosenquote unter Elementarpädagogen ist so niedrig wie selten. „Inzwischen ist die Kinderbetreuung mit Abstand das größte Arbeitsfeld für Erzieher, Sozialpädagogische Assistenten und Sozialpädagogen. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach jungen Berufseinsteigern“, bestätigt Peter Cloos, Professor für die Pädagogik der frühen Kindheit an der Uni Hildesheim. Die Zahl der Ausbildungsplätze sei deshalb im ganzen Land gesteigert geworden. Allein in Niedersachsen sind derzeit 14.000 ErzieherInnen in Ausbildung – doppelt so viele wie vor wenigen Jahren. Grund dafür sind auch großangelegte Werbekampagnen.

Den Ausbildungsboom spürt auch Birgit de Buhr, Abteilungsleiterin an den Berufsbildenden Schulen Buchholz. „Wir haben deutlich mehr Bewerber und mehr Klassen.“ Besonders die berufsbegleitende Ausbildung in Teilzeit sei stark nachgefragt. „Vor allem von Quereinsteigern“, sagt die Pädagogin. Die Teilzeit-Variante ist eine der neuen Ideen, um mehr Menschen für den Beruf zu begeistern. Das Prinzip: angehende Erzieher arbeiten drei Tage pro Woche sowie in ihren Schulferien in der Kita, zwei Tage die Woche drücken sie die Erzieherschulbank. Dafür dauert die Ausbildung ein Jahr länger.

Diese Variante ist beliebt, immerhin bekommen sie ein Gehalt von ihrem Arbeitgeber. Wie viel das ist, hängt stark vom Träger ab. „Wir haben Schüler, die kaum mehr als eine Praktikumsvergütung bekommen“, berichtet de Buhr. „Andere beziehen ein volles Gehalt. Sie müssen dafür der Einrichtung nach der Ausbildung für zwei bis drei Jahre treu bleiben“.

Die Bezahlung hätten viele ihrer Schülerinnen dringend nötig. Sie haben bereits eine eigene Familie, standen vorher mit beiden Beinen im Berufsleben. Eine klassische schulische Ausbildung zur „Sozialpädagogischen Assistenz“ könnten sie sich kaum leisten. Eine Vergütung wie bei einer dualen Ausbildung gibt dabei es nicht. Ganz im Gegenteil: An vielen freien Schulen wird noch heute Schulgeld verlangt, nur die staatlichen sind kostenlos.

Immerhin gibt es nun Pläne in Norddeutschland, das Schulgeld für die angehenden Päda­gogen zu übernehmen. Eine flächendeckende Ausbildungsvergütung ist dagegen noch in weiter Ferne. Nur einzelne Kommunen im Norden leisten sich eine bezahlte Ausbildung, zum Beispiel Stade. Hier bekommen angehende Erzieher 800 Euro netto pro Monat. Dafür müssen sie während der Schulferien als Springer arbeiten und nach der Ausbildung mindestens zwei Jahre in einer städtischen Kita bleiben. Die Erfahrungen mit diesem Modell sind gut. Inzwischen wollen andere Landkreise dies nachahmen.

Die Zahl der Ausbildungs-Plätze hat sich auf 14.000 verdoppelt

Doch es gibt noch mehr Stellschrauben für eine attraktivere Ausbildung. So planen einige Länder, unter anderem Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, eine schnellere und praxisnähere Ausbildung, weniger Schule, eine Art dualisiertes System. Der erhoffte Vorteil: Die Auszubildenden können früher in der Kita arbeiten. Auch über eine Senkung der Eingangsvoraussetzungen wird nachgedacht. In Hamburg haben gerade 600 Hauptschüler eine neue erweiterte Ausbildung zum „Sozialpädagogischen Assistenten“ angefangen. Bisher war dafür ein Realschulabschluss Voraussetzung.

Es gibt dazu auch kritische Stimmen. Eine Absenkung der Voraussetzungen und eine Verkürzung der Ausbildung stößt auf Skepsis. „Das vierjährige niedersächsische Ausbildungsmodell hat eine sehr hohe Qualität. Es gibt eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis. Außerdem ist der Erzieher-Abschluss mit einem Bachelor gleichzusetzen“, erklärt de Buhr. Der Druck des Fachkräftemangels dürfe nicht zu einer Senkung der Ansprüche führen. Immerhin gehe es hier um die Qualität von Erziehung, Bildung und Betreuung für die Kleinsten und das müsse es der Gesellschaft wert sein, so die Lehrerin weiter.

Eine Vergütung, eine schnellere Ausbildung – all diese Maßnahmen ändern allerdings nichts an einem grundsätzlichen Problem – und zwar den Bedingungen nach der Ausbildung. „Die Erzieherausbildung hat sicher ein hohes Niveau und die Arbeit danach ist anspruchsvoll und wichtig“, erklärt Peter Cloos. „Auf dem Gehaltszettel und bei den Arbeitsbedingungen macht sich diese gesellschaftliche Relevanz aber kaum bemerkbar.“ Zwar zeigen Umfragen, dass die Arbeitszufriedenheit unter Erziehern grundsätzlich hoch ist, das liegt aus Sicht des Hildesheimer Forschers aber eher an der erfüllenden Arbeit mit den Kindern und den Gestaltungsfreiheiten.

Über die Bedingungen klagen viele Erzieher: Es kommen zu viele Kinder auf einen Päda­gogen. Zeit für pädagogische Projekte oder Vorbereitung gibt es selten. Auch die Bezahlung ist nicht rosig. Zudem werden viele Stellen nur in Teilzeit besetzt. Selbst Zusatzqualifikationen werden kaum zusätzlich vergütet, die Aufstiegschancen sind gering. Dazu kommt eine mangelnde Anerkennung – das Klischee der Basteltante und des Tobeonkels hält sich hartnäckig. „In vielen europäischen Ländern genießt frühkindliche Bildung eine höhere Anerkennung. Die Frühpädagogik hat einen höheren Akademikeranteil und steht mit Lehrämtern auf einer Stufe“, berichtet Cloos. Von einem solchen Status sei der Beruf in Deutschland noch weit entfernt.