Die drei vom Techno

Fjaak haben ihr zweites Album veröffentlicht. „Havel“ ist eine wilde und kurzweilige Reise einmal quer durch die Geschichte elektronischer Tanzmusik

Von Andreas Hartmann

Drei Jungs, die bis zum Bauchnabel im Wasser stehen – nichts auf dem Cover des zweiten Albums der Berliner Combo Fjaak lässt erahnen, dass man es hier mit Techno zu tun hat. Man denkt eher an eine niedliche Indierock-Band bei dieser Inszenierung. Sämtliche Design-Klischees für Platten mit elektronischer Musik derart zu umschiffen, das muss man sich auch erst einmal trauen.

Aber Fjaak sind sowieso eine komische Truppe. Der Name Fjaak steht für die Kürzel der Vornamen der drei – Felix, Aaron und Kevin. Drei Freunde, die sich zu einer Art Band zusammenschließen und sich bereits im Namen eine Art Treueschwur leisten, das ist gewöhnlich in ihrem Genre. Meist basteln Produzenten von elektronischer Musik doch am liebsten alleine vor sich hin. Aber die drei aus Spandau scheinen einen ganz guten Weg für ein kreatives Miteinander gefunden zu haben. Gemeinsames Jammen, fast wie eine Jazzband, sei wichtig für sie, geben sie an. Jammen und dabei kiffen, was sich tatsächlich nach einem viel größeren Spaß anhört, als ganz alleine vor dem Rechner zu hocken.

So besonders wie die Techno-Band, so besonders ist tatsächlich auch ihr neues Album geworden. „Havel“ heißt es. Womit erstens klar wird, dass das Foto vom Cover beim Baden in dem Berliner Fluss entstanden ist, und zweitens, dass die drei Spandauer nichts gegen ein wenig gesunden Lokalpatriotismus haben. Ihre erste Platte erschien letztes Jahr auf dem Label von Modeselektor, Berlins weltberühmten Techno-Act – immerhin ein Duo. Die neue kommt nun auf dem eigenen Label heraus. Totale Kontrolle also, niemand, der einem bei irgendetwas reinredet. Und das meint man dem Werk auch anzuhören. Jemand von außen hätte den drei Jungs vielleicht gesagt: Ihr klingt mal wie The Prodigy, mal wie Aphex Twin, dann kommt ihr plötzlich mit einem fetten Techno-Track um die Ecke und im nächsten Moment macht ihr Ambient? Könnt ihr euch nicht mal für irgendeinen Stil entscheiden? Wie bitte soll ich ­dieses Durcheinander verkaufen?

So aber ist die Platte eine wilde Reise einmal quer durch die Geschichte elektronischer Tanzmusik. Acid-Geblubber und 303-Alarm, Breakbeat, komplexe Klangtüftelei, alles dabei. Jeder Track klingt anders als der vorangegangene, teilweise wird aber auch innerhalb einer Nummer schnell mal von Chemical-Brothers-Gedächtnisbeats in Richtung Autechre-Geknurpsel umgeschwenkt, um im nächsten Moment dann doch wieder in Richtung Stadion-Rave zu gehen. Es ist immer gehörig was los auf dem Album, und zwar andauernd etwas anderes.

Gleich mit dem ersten Track des Albums die Welt erobern, Signature-Sounds und Dramaturgie entwickeln – all diese Regeln für ein marktstategisch optimiertes Veröffentlichen eines Techno-Albums im Spotify-Zeitalter kümmert Fjaak offensichtlich nicht die Bohne. Aber gerade deswegen ist „Havel“ auch so kurzweilig und gut geworden.

Fjaak: „Havel“ (Fjaak Rec./Clone). Live: 22. 12., Berghain