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: Fessenheim abschalten, Energiewende verschieben

Mit dem maroden Atomkraftwerk in Frankreich soll es 2020 angeblich zu Ende gehen.Mit der Umstellung auf mehr erneuerbare Energien will das Land sich dafür mehr Zeit lassen

Das Neue

Präsident Emmanuel Macron hat gestern angekündigt, dass Frankreichs ältestes Atomkraftwerk im elsässischen Fessenheim im Sommer 2020 vom Netz geht. Zugleich sagte er bei der Vorstellung eines Zehnjahresplans zur Energiewende in Paris, dass zwölf weitere Atomreaktoren im Land bis 2035 stillgelegt werden sollen. Der Anteil das Atomstroms am Erzeugungsmix soll dadurch in Frankreich von heute 75 Prozent auf 50 Prozent sinken. Was diese Zusage wert ist, ist jedoch fraglich, weil Macron in seiner bis 2022 laufenden Amtszeit außer den beiden Blöcken in Fessenheim keine weiteren Atomkraftwerke schließen will.

Der Kontext

Der Widerstand gegen das Kraftwerk Fessenheim wird seit Jahrzehnten vor allem von deutscher Seite aus geführt. Die Anlage liegt am Rheinseitenkanal nur wenige hundert Meter von der Grenze und 20 Kilometer von Freiburg entfernt. Sie liegt damit nahe einer Region, die durch das in den siebziger Jahren geplante Atomkraftwerk Wyhl zum Zentrum der deutschen Anti-Atom-Bewegung wurde. Nachdem das rebellische Südbaden frei von Atomkraftwerken blieb, konzentrierte sich dort der Protest stark auf das angrenzende Ausland. Die beiden Anlagen in Fessenheim standen auch deswegen immer wieder heftig in der Kritik, weil sich dort gefährliche Störfälle ereigneten.

Die Reaktionen

Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller reagierte zurückhaltend, denn zu oft schon seien Daten genannt und später wieder korrigiert worden: „Bevor Fessenheim nicht endlich stillsteht, gibt es keinen Grund für Jubelschreie.“ Jeder Tag, den dieses Kraftwerk betrieben werde, sei ein unnötiges Risiko für die Menschen der Region: „2020 ist unter diesem Gesichtspunkt nach wie vor sehr weit entfernt. Aus meiner Sicht unverantwortlich weit entfernt.“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz am südlichen Oberrhein sagte, er nehme die Ankündigung „erfreut-hoffnungsfroh-illusionslos“ zur Kenntnis. „Wir halten einen Abschalttermin 2020 für möglich und wir hoffen, dass die beiden alten Reaktoren so lange durchhalten“, sagte Geschäftsführer Axel Mayer. Die Freiburger Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae (Grüne), sagte: „Wenn Fessenheim tatsächlich in zwei Jahren vom Netz genommen wird, verdanken wir dies dem unermüdlichen Einsatz der vielen Initiativen in der Region, die seit Jahrzehnten auf die großen Gefahren hinweisen.“

Die Konsequenz

Frankreich wird – wenn es die Energiewende ernst nimmt – seine Bemühungen im Sektor der erneuerbaren Energien erheblich forcieren müssen. Im vergangenen Jahr wurden hier rund 1,7 Gigawatt an neuen Windkraftanlagen aufgebaut, nur gut ein Viertel dessen, was Deutschland im gleichen Zeitraum neu installierte. Aktuell deckt Frankreich rund 20 Prozent seines Strombedarfs aus erneuerbaren Energien. Diese Menge müsste bis 2035 verdoppelt werden, wenn Frankreich den Atomstrom wie geplant in Teilen ersetzen will. Bernward Janzing